BERLIN (Dow Jones)--Immer weniger Menschen können sich trotz der niedrigen Zinsen den Kauf ihres ersten Eigenheims leisten. Denn ihnen fehlt genügend Eigenkapital, um die erste Hürde auf dem Immobilienmarkt zu nehmen, ergab eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) für die Bausparkasse Schwäbisch Hall. Damit werde Wohnungseigentum in Deutschland immer elitärer.
So lag die Zahl der Ersterwerber in den Jahren 2016 und 2017 bei jeweils weniger als 400.000, und damit beinahe halb so hoch wie die 700.000 Ersterwerber zwischen 1998 und 2002. Insgesamt steige die Wohneigentumsquote tendenziell bei älteren Haushalten sowie Freiberuflern und Selbständigen. Bei jüngeren Haushalten sinke diese dagegen.
"Faktisch finden junge Haushalte, die dann auch entsprechend mehr Zeit für die Rückzahlung ihrer Kredite hätten, kaum noch Zugang zum Wohneigentumsmarkt", heißt es in der Studie. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Einkommensentwicklung der Ersterwerber. In den 2000er Jahren verdienten die neuen Immobilienbesitzer lediglich 40 Prozent mehr als der durchschnittliche Haushalt. Im Jahr 2017mussten sie jedoch fast 80 Prozent mehr verdienen. Laut IW sei dies zwar eine gute Nachricht für die Finanzstabilität.
"Allerdings bedeutet dies eben auch, dass immer weniger Haushalte die Chancen der Wohneigentumsbildung nutzen können und damit der Zugang zu dieser Form der Vermögensbildung und Altersvorsorge immer elitärer wird", so die Autoren Michael Voigtländer und Pekka Sagner.
Wohneigentumsquote seit 2010 unverändert
Insgesamt stagniert die Wohneigentumsquote in Deutschlands seit 2010 bei etwa 45 Prozent. Damit liegt sie deutlich niedriger als in anderen europäischen Ländern, wie beispielsweise in Frankreich, Großbritannien und Italien.
Allerdings hat sich die Quote innerhalb der unterschiedlichen deutschen Altersgruppen verschoben. Sie stieg von 2010 bis 2017 um 5 Prozentpunkte bei den über 65-jährigen, fiel aber um 5 Punkte bei den 35- bis 44-Jährigen. Besonders auffällig ist der Rückgang bei den 25- bis 34-Jährigen. Kamen Ende der 1990er noch 23 Prozent der Wohneigentümer aus dieser Altersgruppe, so halbierte sich die Rate nahezu auf 12 Prozent im Jahr 2017.
Hoher Kapitalbedarf und Nebenkosten
Für das IW hat dies wesentlich mit dem hohen Volumen an Eigenkapital zu tun, das Erstkäufer angesichts der gestiegenen Immobilienpreise aufbringen müssen. Ein weiterer Grund könnte der spätere Eintritt in das Berufsleben und eine spätere Familiengründung sein. Auch spiele die Arbeits- und Flüchtlingsmigration bei dieser Bevölkerungsgruppe eine Rolle, da diese oft der unteren Einkommensgruppe angehöre und zur Miete wohnten.
Wohneigentum sei in Deutschland allerdings noch immer attraktiv, denn die niedrigen Zinsen erlaubten vielfach moderate Belastungen während der Erwerbsphase. Auch helfe Wohneigentum bei der Altersvorsorge, so das IW. Daher müsse die Politik handeln. Das IW schlug eine Absenkung der Erwerbsnebenkosten vor, beispielswiese durch eine Reform der Grunderwerbssteuer nach britischem Vorbild, der Umstellung der Makler-Courtage auf das Bestellerprinzip oder durch eine Deregulierung der Notarkosten.
"Angesichts der Entwicklungen im Immobilienmarkt und der Perspektive einer länger anhaltenden Niedrigzinsphase sollte die Politik deutlich mehr Anstrengungen unternehmen, um auch Haushalten mit geringeren und mittleren Einkommen den Weg ins Wohneigentum zu erleichtern", so die Autoren der Studie
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August 09, 2019 05:00 ET (09:00 GMT)
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