BERLIN (Dow Jones)--Die Kritik in der deutschen Wirtschaft an den Gesetzesplänen der Regierung für einen weitgehenden Abbau des Solidaritätszuschlags nimmt zu. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schloss sich den negativen Urteilen anderer Verbände an. "Der Gesetzesentwurf des Bundesfinanzministeriums greift zu kurz, denn er lässt die Unternehmen außen vor", beklagte der BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Das Vorgehen schade der politischen Glaubwürdigkeit und sei "auch verfassungsrechtlich äußerst kritisch".
Die Wirtschaft fordere eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle Steuerzahler, betonte auch Lang. "Angesichts des zunehmenden internationalen Wettbewerbs kann es sich Deutschland nicht mehr leisten, für die Unternehmen keine Entlastung zu schaffen", hob der BDI-Hauptgeschäftsführer hervor. Als absolutes Minimum müsse sich die Bundesregierung noch in der laufenden Legislaturperiode auf ein verbindliches Datum zur Abschaffung des Solis einigen. Die Rechtfertigung für den Zuschlag, nämlich die Finanzierung des Solidarpaktes II, sei längst entfallen.
Auch andere Stimmen aus der Wirtschaft hatten zuvor bereits die nur teilweise Abschaffung des Soli kritisiert und die Verfassungsmäßigkeit der Maßnahme in Zweifel gezogen. Mit dem Vorhaben werde "eine Zwei-Klassen-Entlastung festgeschrieben, die erfolgreich wirtschaftende Betriebe des Handwerks benachteiligt und verfassungsrechtlich mehr als fragwürdig ist", erklärte der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Holger Schwannecke. Deshalb müsse der Soli vollständig abgebaut werden.
Das forderte auch der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven. "Es gibt keine Verfassungswidrigkeit light", sagte er. Eine Verlängerung des Soli über den 31. Dezember 2019 hinaus sei verfassungswidrig. Die mittelstandstypischen Personengesellschaften würden durch den Zuschlag in besonderer Weise belastet. Daher werde sich der Mittelstand "gegen jede Verlängerung dieser Zwangsabgabe mit rechtlichen Mitteln wehren", kündigte Ohoven an.
Unterdessen hat die FDP bereits mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gedroht, sollten die Pläne von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) so beschlossen werden. Scholz zeigte sich am Montag aber überzeugt, dass sein Plan, nicht alle Steuerzahler zu entlasten, nicht dem Grundgesetz widerspricht. "Die Regel, die wir vorschlagen, ist verfassungskonform", sagte der Finanzminister. 2019 ende zwar der Solidarpakt, aber keineswegs die Aufgabe, zu einer Gleichwertigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung in den ostdeutschen Ländern beizutragen. "Wir haben noch viele Aufgaben zu stemmen und zu finanzieren", hob Scholz hervor.
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August 12, 2019 10:13 ET (14:13 GMT)
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