Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat einen Zusammenhang zwischen ungleichen Lebensverhältnissen und Wahlergebnissen entdeckt. Daher müsse die Politik dringend in strukturschwache Regionen eine langfristige Investitionsstrategie in Angriff nehmen, so die Verfasser einer Studie zum Europawahlergebnis. Im Wahlergebnis sehen die Autoren der Studie ein Signal eines Vertrauensverlusts in die Politik der beiden Regierungsparteien. Auch sei es ein Zeichen dafür, dass die Politik in den vergangenen Jahren nicht genug geleistet habe, um möglichst gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland herzustellen.
"Nötig wäre eine langfristige Investitionsstrategie, damit strukturschwache Regionen nicht noch weiter abgehängt werden", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Denn bei der Wahl im Mai waren die Grüne dort stark, wo die Einkommen hoch, die Wirtschaft robust und die Bevölkerung gewachsen sei. Die AfD hingegen verzeichnete einen hohen Stimmenanteil in wirtschaftlich schwachen Kreisen, in denen Arbeitsplatzverluste drohten und Menschen abwanderten.
Diese regionale Polarisierung in Deutschland schlage sich deutlich in den Stimmanteilen bei Wahlen nieder, so die Studie, die das Ergebnis der Europawahl in Verbindung mit Merkmalen der Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland unter die Lupe genommen hat.
Auffällig sei, dass bei den Grünen wie auch bei der AfD die ökonomische Komponente einen geringeren Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt habe als die Demografie und die strukturelle Komponente. "Dies spiegelt ganz offenbar die ungleichen Lebensverhältnisse in Deutschland wider", sagte Mitautor Alexander Kritikos.
Dabei gehe es um grundlegende Probleme wie Überalterung und Abwanderung, die dringend angegangen werden müssten. Nötig seien statt kurzfristig wirkender Maßnahmen zur Verbesserung der Einkommenssituation der Haushalte eher langfristige Maßnahmen, die Chancen für die Zukunft eröffnen.
"Dazu zählen nicht zuletzt eine Stärkung der digitalen Infrastruktur, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, um auf die Digitalisierung einzugehen, und eine ausreichende Finanzierung der Kommunen, damit diese in die Infrastruktur investieren können", sagte Fratzscher. Bei den anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen werden hohe Zuwächse besonders für die AfD erwartet. Die ostdeutschen Bundesländer haben besonders mit Abwanderung und Überalterung zu kämpfen.
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August 21, 2019 06:35 ET (10:35 GMT)
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