Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Der Betreiber des geplanten Flüssiggas-Terminals in Brunsbüttel muss Informationen über potenzielle Gefahrenquellen für die Region vorlegen. In einem Schreiben an den Betreiber German LNG Terminal GmbH hat eine dem Wirtschaftsministerium in Schleswig-Holstein unterstellte Behörde Unterlagen über die konventionelle und kerntechnische Störfallvorsorge für den LNG-Terminal angefordert.
In der Nähe der geplanten Anlage liegen das stillgelegte AKW Brunsbüttel und ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle sowie mehrere großen Industriebetriebe und Wohngebiete. Umweltverbände und Bürgerinitiativen machen deshalb gegen das Vorhaben mobil.
Laut einem Schreiben des schleswig-holsteinischen Amtes für Planfeststellung Verkehr vom 31. Juli, in das Dow Jones News Einblick hat, soll der Betreiber des Terminals bei der Beschreibung der Szenarien für den Ablauf eines möglichen kerntechnischen Störfalls differenzieren, wie der für diesen Störfall relevante freigesetzte Stoff aufgefangen wird oder ob er gegebenenfalls explodiert.
Das Unternehmen hatte zuvor beim Amt einen Antrag auf "Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen" gestellt.
Auch soll beschrieben werden, "über welche Robustheitsreserven die kerntechnischen Anlagen am Standort Brunsbüttel" verfügen. Angegeben werden soll ebenfalls, bis zu welcher Entfernung ein maximaler Explosionsüberdruck zu erwarten sei. Auch soll differenziert beschrieben werden, "ob die anzusetzende LNG-Druckwelle die Auslegungswerte der betreffenden kerntechnischen Einrichtung am Standort Brunsbüttel übersteigen kann" und welche Konsequenzen gegebenenfalls nötig seien.
Das Kieler Wirtschaftsministerium sagte auf Anfrage, dass die angeforderten Dokumente der "erwartungsgemäße Umfang der Unterrichtung" für ein Vorhaben dieser Komplexität sei und dass das Amt das Vorhaben "unvoreingenommen" prüfe.
Die Deutsche Umwelthilfe zeigte sich hingegen erfreut über die vom Amt geforderte Unterrichtung zur Störfallvorsorge bei dem LNG-Terminal Brunsbüttel.
"Offensichtlich sind unsere Argumente in der Planungsbehörde jetzt gehört worden. Es gab bisher große Defizite bei der konventionellen und kerntechnischen Störfallvorsorge. Das muss jetzt nachgearbeitet werden", sagte Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). "Das bedeutet eine ganz erhebliche Verzögerung für dieses Projekt."
Diese Interpretation wies der Sprecher des Ministeriums allerdings zurück. "Es handelt sich um keine Nacharbeit, sondern im Idealfall um die Grundlage für ein zeitlich gut verlaufendes Planfeststellungsverfahren", sagte Sprecher Harald Haase.
Mit dem Flüssiggas-Terminal will Deutschland den Import besonders von amerikanischem Flüssiggas erleichtern. Umweltverbände und Bürgerinitiativen haben allerdings kritisiert, dass der Terminal in Brunsbüttel aufgrund der Nähe zum stillgelegten AKW, Industrieunternehmen und Wohngebieten nicht genehmigungsfähig sei. Austretendes LNG ist entzündlich und kann leicht explodieren.
Ein im Mai vorgestelltes Gutachten der Umweltrechtlerin Cornelia Ziehm für die Umwelthilfe sieht in dem geplanten LNG-Terminal einen Störfallbetrieb, der nur bei ausreichendem Sicherheitsabstand zu anderen gefährlichen Betrieben und der Wohnbevölkerung angesiedelt werden dürfe.
Ein Gemeinschaftsunternehmen aus drei Firmen will in Brunsbüttel rund 500 Millionen Euro in eine neue Flüssigasinfrastruktur investieren. Der Bund will einen Teil der geplanten Investitionen für den Bau von Import-Infrastruktur für verflüssigtes Erdgas mitfinanzieren.
Das Projekt wird von der Bundesregierung in Berlin als strategisch wichtiges Vorhaben angesehen, das Deutschland und Europa bei der Diversifizierung seiner Energieversorgung helfen soll. Auch könne LNG als Kraftstoff für die Schifffahrt und den Schwerlastverkehr eine Chance bieten, Schadstoffemissionen zu reduzieren und zur Einhaltung von internationalen Klimaschutzzielen beizutragen, so das Bundeswirtschaftsministerium.
Bundeskanzlerin Angela Merkel steht außerdem unter amerikanischem Druck. Präsident Donald Trump fordert von Europa, sich unabhängiger von russischem Gas zu machen und sich für LNG aus den USA zu öffnen. Besonders die russisch-deutsche Gaspipeline Nord Stream 2 ist Trump ein Dorn im Auge. Auch die CDU-geführte Landesregierung in Kiel unterstützt den geplanten Terminal in Brunsbüttel. Als weitere mögliche LNG-Terminal Standorte sind Rostock, Stade, Wilhelmshaven im Gespräch.
Nach Kenntnis des Bundeswirtschaftsministeriums gibt es bislang noch keine verbindlichen Kapazitätsbuchungen oder finale Investitionsentscheidungen (FID) für eines der vier LNG-Terminalprojekte.
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August 22, 2019 00:20 ET (04:20 GMT)
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