Von Manuel Priego-Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Den Börsen fehlt weiter eine klare Richtung. Die Wirtschaftsdaten neigen zwar zur Schwäche, noch befinden wir uns aber nicht in der Rezession. Daneben sind die politischen Risiken mit dem Handelskonflikt, Italien und einem möglichen harten Brexit Ende Oktober hoch. Die klar kommunizierte Bereitschaft der großen Zentralbanken die Geldpolitik weiter zu lockern verhindert aber Schlimmeres an den Börsen. Es wird volatil weiter gehen.
Bereits vor Beginn des G7-Treffens der Staats- und Regierungschefs in Biarritz an diesem Wochenende hat der französische Präsident Emmanuel Macron angekündigt, dass es kein Schlusskommuniqué geben wird. Das allein macht deutlich, wie tief in der Zwischenzeit die Gräben durch die Staatengemeinschaft verlaufen. Entsprechend gering sind die Erwartungen an das Treffen. Sollte es ohne diplomatischen Eklat zu Ende gehen, wäre dies vermutlich schon als Erfolg zu verbuchen.
Harter Brexit ist nun Basis-Szenario
Dabei gibt es mehr als genug Probleme, die der Lösung harren. Am 1. September treten neue Zölle gegen chinesische Importe in Kraft. Eine Lösung des US-chinesischen Handelskonflikts ist nicht nur nicht in Sicht, er scheint in immer weitere Ferne zu rücken. Washington hat nun eine Verbindung hergestellt zwischen dem Handelsstreit und den Unruhen in Hongkong. Aus chinesischer Sicht ein Unding, reagiert Peking doch hochgradig empfindlich auf jede Einmischung in innere Angelegenheiten aus dem Ausland.
Auch ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU rückt immer näher. Wie Berenberg anmerkt, müssen eine Menge Dinge richtig laufen, um einen harten Brexit Ende Oktober noch zu vermeiden. Das ist allerdings unwahrscheinlich. Kein Wunder, dass immer mehr Analysten ein Ausscheiden ohne Folgeabkommen in der Zwischenzeit zu ihrem Basis-Szenario erklärt haben. Großbritannien würde vermutlich in die Rezession rutschen, der erneute Vertrauensschwund in internationale Institutionen und Allianzen dürfte weltweit zu spüren sein.
Neben Großbritannien bleibt Italien das Sorgenkind der EU. Selbst wenn sich nach dem Scheitern der Regierungskoalition die Demokratische Partei und die Fünf-Sterne-Bewegung auf eine neue Regierung einigen sollten, glaubt kaum jemand daran, dass sich eine solche als stabil erweisen wird. Zu groß sind die Probleme des Landes, die von einer alternden Bevölkerung über ein seit Jahren schwaches Wirtschaftswachstum bis hin zu einer immensen Schuldenlast reichen.
Aber nicht nur Italien hat Probleme. Deutschland steht am Rande einer Rezession. Der Exportmotor ist ins Stocken geraten, wie das seit Monaten schrumpfende verarbeitende Gewerbe deutlich macht. Analysten rechnen mit einem weiter nachgebenden ifo-Geschäftsklimaindex, der am Montag veröffentlicht wird. Nur der noch immer gut laufende Konsum verhindert bislang Schlimmeres, allerdings mehren sich die Stimmen, die auch hier vor einer Abschwächung warnen.
Erwartungen an DAX-Unternehmensgewinne fallen weiter
Einzig die Bereitschaft der Zentralbanken, die Geldpolitik weiter zu lockern, verhindert aktuell schärfere Kursrückgänge an den Börsen. Es gilt als ausgemachte Sache, dass die US-Notenbank den Leitzins im September um 25 Basispunkte senken wird, einige hoffen auf 50 Basispunkte. Mehr Details erhoffen sich die Anleger von der Rede von Fed-Chef Jerome Powell auf dem Zentralbankertreffen in Jackson Hole. Auch die EZB wird im September die Zinsen senken, möglicherweise sogar ein neues Wertpapierkaufprogramm ankündigen.
An den Börsen dürfte es trotzdem weiter volatil zugehen. Die Commerzbank geht von anhaltend fallenden Unternehmensgewinnen im DAX aus. Die Erwartungen an die Unternehmensgewinne seien im vergangenen Quartal um 6 Prozent für das Geschäftsjahr 2019 und um 4 Prozent für das Geschäftsjahr 2020 nach unten revidiert worden. Weitere Abwärtsrevisionen dürften folgen. Für den DAX heiße das eine wahrscheinliche Fortsetzung der breiten Seitwärtsbewegung in der Spanne von 11.200 bis 12.400 Punkten in den kommenden Monaten.
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August 23, 2019 07:36 ET (11:36 GMT)
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