BERLIN (Dow Jones)--Die von der SPD vorgeschlagene Einführung einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung ist nach Auffassung des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung ungeeignet, um Altersarmut zu bekämpfen. "Diese Grundrente ist eine Mogelpackung", erklärte der stellvertretende Leiter der Ifo-Niederlassung Dresden. Joachim Ragnitz. Sie stelle "nur eine kleine Gruppe von Altersrentnern besser", die in der Erwerbsphase wenig verdient hätten, aber anderweitig zum Beispiel über Ehepartner oder Vermögenseinkünfte abgesichert seien.
Rentner, die wegen niedriger Alterseinkünfte auf die "Grundsicherung im Alter" angewiesen seien, profitierten hiervon allenfalls in geringem Umfang, betonte Ragnitz. Denn auch die aufgestockte Rente übersteige in vielen Fällen nicht die vom Sozialamt festgelegte Altersgrundsicherung von 808 Euro im Monat. Dass ein Anspruch auf die Grundsicherung erst nach 35 "Grundrentenjahren" entstehe, schließe zudem einen Großteil Bedürftiger aus. Zeiten von Arbeitslosigkeit oder Beschäftigung im Minijob begründeten nach den Plänen überdies keinen Anspruch auf Grundrente.
"Die geplante Reform ist eine Abkehr vom Versicherungsprinzip hin zu einer Umverteilungspolitik", kritisierte Ragnitz. Auch eine Bedürftigkeitsprüfung, wie sie die CDU fordert, ändert an der schwachen Wirkung der Grundrente zur Bekämpfung von Altersarmut nach der Analyse des Ökonomen nichts. "Bedürftige Rentner profitieren am ehesten noch von der Einführung eines Freibetrags in der Grundsicherung", sagte Ragnitz. "Sie haben aber kaum etwas von der Grundrente."
Die Parteien der großen Koalition streiten seit Monaten erbittert über die Ausgestaltung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Grundsicherung. Während Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in seinem Entwurf dazu keine Bedürftigkeitsprüfung vorsieht, pocht die Union auf eine solche. Die SPD hat ihrerseits angekündigt, das Thema auch zum Gegenstand der anstehenden Halbzeitüberprüfung der Koalitionsarbeit zu machen.
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August 27, 2019 03:58 ET (07:58 GMT)
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