Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Unicredit hält die Schaffung eines gestaffelten Systems von Einlagenzinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB) für ein sehr komplexes Vorhaben. Analyst Luca Cazzulani verweist in einer Studie darauf, dass sich die Überliquidität sehr unterschiedlich über den Euroraum verteilt, so dass eine Freistellung vom Strafzins auf diese Überliquidität ungleichmäßig wirken würde. Wichtigstes Argument für einen Staffelzins ist Cazzulani zufolge die Möglichkeit, den Glauben unter Marktteilnehmern zu schwächen, dass es für die EZB eine Zinsuntergrenze gibt.
Laut Cazzulani müsste die EZB Einlagen weiterhin dem Strafzins (minus 0,40 Prozent) unterwerfen, die um 200 bis 300 Milliarden oberhalb der Mindestreserven liegen. Stellte die EZB mehr frei, drohte sich der Marktzins vom Einlagenzins zu lösen. Derzeit beträgt die Überliquidität 1.830 Milliarden Euro. Der Analyst unterstellt, dass die EZB den Sicherheitsabstand etwas höher, bei 500 Milliarden Euro, ansetzen wird.
Absolut gesehen konzentriert sich die überschüssige Liquidität in Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Luxemburg und Finnland. Relativ, gemessen an den Mindestreserven, liegt Finnland an der Spitze, gefolgt von Luxemburg, Deutschland und den Niederlanden.
Würde die EZB dem Beispiel der Schweiz folgen und das Achtfache der Mindestreserve vom Zins freistellen, dann wäre die Entlastung in Ländern mit geringen Überschussreserven so hoch, dass Banken mehr Liquidität bei der Zentralbank parken könnten, was einen Anstieg der Marktzinsen befürchten ließe. Das gilt vor allem für Portugal, Spanien und Italien.
"Die EZB sieht sich also einem Zielkonflikt gegenüber, und sie muss sehr kreativ sein, um diesen Konflikt zu lösen", schreibt Cazzulani. Der EZB-Rat hat im Juli die zuständigen Ausschüsse des Eurosystems damit beauftragt, nach Möglichkeiten zu suchen, die Banken des Euroraums von der Last des Negativzinses zumindest teilweise zu befreien. Dabei nannte der Rat ausdrücklich ein Staffelzinssystem. Die nächste Ratssitzung findet am 12. September statt.
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September 03, 2019 07:46 ET (11:46 GMT)
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