Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr nach einer Prognose des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) wohl um 0,5 Prozent wachsen. "Der Abschwung in Deutschland geht weiter", stellten die Ökonomen des Instituts allerdings fest. Für 2020 erwarten sie dann auch wegen einer höheren Zahl an Arbeitstagen eine Zunahme des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 1,1 Prozent. Im Juni hatten sie bereits ein BIP-Plus von 0,5 Prozent für dieses Jahr vorhergesagt. Für kommendes hatten sie allerdings noch einen Zuwachs um 1,8 Prozent erwartet.
Die Handelsstreitigkeiten ließen den internationalen Güterhandel in diesem Jahr sinken, hoben die Forscher hervor. Davon sei das verarbeitende Gewerbe in Deutschland besonders betroffen. Allerdings stütze ein robuster Arbeitsmarkt die Konjunktur. Das IWH betonte, 2019 dürfte der Produktionszuwachs in Ostdeutschland mit 1 Prozent deutlich höher ausfallen als in Westdeutschland. Die Ökonomen erklärten, in ihrer Prognose unterstellten sie, dass es Ende Oktober zu einem Brexit ohne Vertrag kommt, pragmatische Regelungen einen Zusammenbruch der wirtschaftlichen Transaktionen zwischen Großbritannien und der EU aber verhindern würden und auch das europäische Finanzsystem stabil bleibt.
In Deutschland sei das BIP im zweiten Quartal 2019 um 0,1 gesunken, und die Rezession im verarbeitenden Gewerbe habe sich fortgesetzt. "Die wesentliche Ursache dafür ist eine schwächere Nachfrage nach deutschen Exportgütern, während die Binnennachfrage bislang nur moderat an Dynamik verloren hat", sagte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller. Allerdings deuteten gesunkene Auftragseingänge darauf hin, dass Ausrüstungsinvestitionen vor einer Schwächephase stünden. "Dass es trotzdem zu keiner schweren Rezession kommen dürfte, dafür sprechen die weiter sehr günstigen Finanzierungsbedingungen und die immer noch gute Arbeitsmarktlage", erklärte Holtemöller.
Zudem gebe die Finanzpolitik der Wirtschaft in diesem Jahr einen expansiven Impuls im Umfang von 0,7 Prozent in Relation zum BIP. Im kommenden Jahr sei der finanzpolitische Impuls dann geringer. "Die konjunkturellen Risiken sind erheblich", warnte das IWH aber. Denkbar sei etwa, dass hohe Zölle auf deutsche Autoexporte in die USA erhoben würden. Zudem könnte die Rezession im verarbeitenden Gewerbe zu einer größeren Zahl von Insolvenzen mit einer hohen Zahl von Entlassungen führen, was die Binnennachfrage erheblich belasten würde. Auch seien die konjunkturellen Folgen eines vertraglich nicht geregelten Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union "schwierig zu quantifizieren".
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September 05, 2019 06:09 ET (10:09 GMT)
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