Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Bruttolöhne und Lohnquote in Deutschland sind nach Aussagen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) höher als bisher angenommen. Wie das IfW in Ergebnis einer Analyse der jüngste Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) berichtet, liegen deshalb auch die Lohnstückkosten höher als bisher unterstellt. Das könnte dazu führen, dass der Arbeitsmarkt künftig wieder stärker auf konjunkturelle Abschwünge reagiert.
Laut IfW stellt sich nach der VGR-Revision das durchschnittliche Niveau der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer im Jahr 2016 höher dar als bislang ausgewiesen. Um Brüche in den Zeitreihen zu vermeiden, seien die Ergebnisse bis zum Jahr 2000 zurück neu berechnet worden, so dass die Lohnzuwächse nun in jedem Jahr um etwa ein Zehntel höher ausfielen als vor der Revision.
Deshalb, aber auch wegen des leicht abwärtsrevidierten nominalen Bruttoinlandsprodukts, ist die Lohnquote in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als bislang ausgewiesen. Nach aktueller Berechnung flossen im vergangenen Jahr 70,8 Prozent des Volkseinkommens an die Arbeitnehmer, nach altem Rechenstand waren es 69 Prozent gewesen. Die Lohnquote liegt damit laut IfW wieder auf dem Niveau der 1990er Jahre.
"Der Rückgang der Lohnquote während der Lohnmoderation der 2000er Jahre wurde damit wettgemacht, die Arbeitnehmer profitierten offenbar stärker vom zurückliegenden Aufschwung als bislang ausgewiesen", folgern die Autoren der Studie, Jens Boysen-Hogrefe und Dominik Groll.
Ihrer Einschätzung nach hat die Revision auch wichtige Implikationen für den Arbeitsmarkt. Das Verhältnis von Lohnkosten zu Arbeitsproduktivität und Preisen ist am aktuellen Rand nämlich deutlich ungünstiger als zuvor ausgewiesen. In der Folge befanden sich die realen Lohnstückkosten im vergangenen Jahr erstmals seit 2003 wieder auf ihrem langjährigen Durchschnitt, das als beschäftigungsneutrales Niveau interpretiert werden kann.
Zuvor hatten die Lohnstückkosten deutlich darunter gelegen, was laut Boysen-Hogrefe und Groll die robuste Arbeitsmarktentwicklung in der Großen Rezession und den anschließenden kräftigen Beschäftigungsaufbau maßgeblich begünstigt haben dürfte. Die Ökonomen warnen: "Diese positiven Impulse sind nun ausgelaufen. Dies spricht für sich genommen dafür, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland wieder stärker auf konjunkturelle Schwächephasen reagieren wird, als dies in den vergangenen zehn Jahren der Fall war."
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September 10, 2019 06:34 ET (10:34 GMT)
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