Von William Boston, Christina Rogers und Olaf Ridder
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Internationale Automobil-Ausstellung ist in diesem Jahr vornehmlich elektrisch unterwegs. Europas Autokonzerne und ihre Zulieferer haben zig Milliarden Euro in die Entwicklung von Elektroautos und Hybrid-Fahrzeugen investiert, um die demnächst geltenden Grenzwerte für CO2-Emissionen erfüllen zu können. Einige Modelle haben ihr öffentliches Debüts in dieser Woche und werden schon bald bei den Händlern verfügbar sein.
Volkswagen als weltgrößter Automobilhersteller präsentierte am Dienstag einen neuen, vollelektrischen Kompaktklassewagen namens ID.3, und mit dem Taycan zeigte auch der zum Konzern gehörende Sportwagenproduzent Porsche ein rein batteriegetriebenes Fahrzeug - in Form einer leistungsstarken, viertürigen Limousine.
Daimler wiederum stellte seine Vision einer elektrischen Mercedes-S-Klasse vor, "unsere Vorstellung von sustainable luxury" in der Zukunft, wie Konzernchef Ola Källenius es nannte. Bislang handelt es sich um ein Konzeptauto, doch schon bald soll es Wirklichkeit werden.
Honda wiederum ist mit einer batterieelektrischen Version eines City-Flitzers in Frankfurt vertreten, und selbst die auf PS-Boliden fixierte italienische Marke Lamborghini zeigte einen Hybriden.
Alle Konzernchefs verknüpften ihre Neuvorstellungen mit Zusagen für weitere Elektrofahrzeuge. Dies sei nur der Anfang auf dem Weg zur Elektrifizierung großer Teile ihrer Modellpaletten, war bei den meisten Pressekonferenzen zu hören.
Preise hoch - Nachfrage verhalten
Allerdings sind die Preise für Plug-in-Hybride oder reine Elektrofahrzeuge noch hoch und die Nachfrage der Autokunden ist bislang sehr verhalten. Deshalb riefen Automanager die europäischen Regierungen zur Unterstützung auf und forderten steuerliche Subventionen und regulatorische Anreize, damit die neuen Elektroautos erschwinglicher und für Käufer attraktiver werden.
"Einfach so wird das Elektroauto seinen Weg nicht machen. Anreize spielen eine große Rolle", sagte VW-Vorstandschef Herbert Diess.
In Europa, wo einige der weltweit strengsten Emissionsregeln gelten, ist das Geschäft mit Elektroautos noch immer blutarm. Im ersten Halbjahr dieses Jahres machten vollelektrische und Plug-in-Hybridfahrzeuge nur 2,4 Prozent des gesamten Pkw-Absatzes in der Europäischen Union aus. Immerhin wuchs er gegenüber dem Vorjahr um 38 Prozent auf 197.813 Fahrzeuge.
Auch global bleibt der Markt für Elektroautos auf eine Nische beschränkt. Gleichwohl haben Hersteller wie ihre Zulieferer nach eigenem Bekunden kaum eine andere Wahl, als den Großteil ihrer Entwicklungsbudgets auf batteriebetriebene Modelle zu konzentrieren.
Verschärfte Emissionsvorschriften in Europa, China und den USA machen es ihnen schwer, die Zielvorgaben zur Reduzierung von klimaschädlichem CO2 und Luftschadstoffen einzuhalten, wenn es nicht gelingt deutlich mehr elektrifizierte Fahrzeugmodelle zu verkaufen. Das ist ein Grund, weshalb sehr viel Geld in die Batterietechnologie fließt und eine öffentliche Ladeinfrastruktur entsteht.
Volkswagen hat beispielsweise 900 Millionen Euro für den schwedischen Batteriehersteller Northvolt locker gemacht, der in den nächsten drei Jahren eine Batterieproduktion im niedersächsischen Salzgitter hochziehen wird.
Hohe Investitionen auf Kosten der Marge
Konzerne wie BMW und Daimler haben angesichts der nötigen riesigen Investitionen in Elektroautos zuletzt Gewinneinbrüche erlitten, ihre Manager erklären gleichwohl, dass es zu diesem durchaus riskanten Manöver keine Alternative gibt.
"Wir müssen investieren und sind damit besser positioniert als andere, die später den Preis zahlen werden", sagte BMW-Finanzchef Nicolas Peter. "Elektroautos sind nicht umsonst zu haben."
Die Produktion eines elektrischen Fahrzeugs ist im Schnitt 11.000 Euro teurer als die eines vergleichbaren Benziners. Parität ist hier aus Sicht der Beratungsfirma McKinsey & Co frühestens in fünf Jahren zu erwarten. Eine Sicht, die Wolf-Henning Scheider, Chef des Autozulieferers ZF Friedrichshafen, bestätigt. Er rechnet damit, dass ein Plug-in-Hybrid 2025 in der Produktion genausoviel kostet wie ein Auto mit Verbrennungsmotor. Die Batterie allein schlägt derzeit mit 5.000 bis 7.000 Euro zu Buche, sagt VW-Konzernchef Diess.
Da der Elektro-Technologie ein großer Durchbruch bislang nicht vergönnt ist, müssen sich die Automobilhersteller auf hohe Produktionszahlen und Skaleneffekte verlassen, um die Preise senken zu können.
"Es besteht kein Zweifel, dass wir die Kosten in den nächsten Jahren senken müssen", sagte Daimler-Vorstandschef Ola Kallenius. "Man kann allerdings den Kunden nicht vorschreiben, was sie kaufen sollen."
Die große Auftritt von Elektroautos, die auf der IAA in Frankfurt gezeigt werden, steht in scharfem Kontrast zu den diesjährigen Automessen in Detroit und New York, wo schwere SUVs und Pickups im Mittelpunkt standen und weniger Modelle mit einem Stromanschluss ihre Debüts feierten.
Viele der jüngsten Elektroautos können mit einer einzigen Ladung 350 Kilometer oder mehr zurücklegen - eine enorme Verbesserung binnen weniger Jahre, als die Hälfte davon oder noch weniger möglich waren. So bietet beispielsweise der neue VW ID.3 je nach Batterieoption eine Reichweite von bis zu 550 Kilometern.
"Reichweitenangst" steht Kulturwandel entgegen
Gleichwohl treibt potenzielle Käufer die Angst um, auf einer längeren Reise mit leeren Batterien liegen zu bleiben und nicht rechtzeitig einen Platz zum Laden gefunden zu haben. Zwar hat sich die Situation inzwischen deutlich verbessert, und überall in Europa werden neue Ladestationen gebaut. Die "Reichweitenangst" und der hohe Preis von Elektrofahrzeugen bleiben dennoch die größten Hindernisse für einen Markterfolg, sagen Automanager und Analysten gleichermaßen.
In China und den USA gibt es staatlicherseits zwar umfangreiche Anreize für Käufer von Elektroautos. Dennoch macht auch dort der Absatz von Hybriden und batterieelektrischen Modellen nur einen Bruchteil des gesamten Fahrzeugabsatzes aus.
Klaus Zellmer, Porsche-Chef für Nordamerika, spricht von psychologischen Barrieren für die Wechsel von Benzin auf Elektrizität, die nicht leicht zu überwinden sein werden. "Die Hürde besteht darin, dass wir über eine völlig neue Technologie sprechen", sagte er.
Deshalb fordert die Branche Regierungen weltweit dazu auf, bei dem Technologiewechsel mitzuhelfen. Hildegard Wortmann, Audis gerade gestartete Vertriebschefin, moniert riesige weiße Flecken in Europa, wo es nicht möglich sei, ein Elektroauto an der Straße wiederaufzuladen.
Sie fordert Europas Regierungen auf, dem Beispiel Norwegens zu folgen. Steuervergünstigungen für Käufer und kostenloses Parken für Elektroautos haben geholfen, in dem Land den entscheidenden Wendepunkt zu erreichen: Mehr als die Hälfte der verkauften Fahrzeuge sind elektrisch angetrieben. Damit ist das skandinavische Land Vorreiter.
"Wir müssen den Blick nach Norwegen richten", sagte Frau Wortmann. "Dieses wirklich kleine Land hat dem Rest der Welt gezeigt, wie es gemacht werden muss."
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September 11, 2019 08:38 ET (12:38 GMT)
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