BERLIN (Dow Jones)--In Deutschland droht selbst bei guter konjunktureller Entwicklung bis 2039 mehr als jeder fünfte Rentner in die Altersarmut zu rutschen. Das ist das Ergebnis von Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), das das Berliner Institut im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt hat. Besonders betroffen wären demnach Alleinstehende und Geringqualifizierte.
"Selbst bei einer positiven Arbeitsmarktentwicklung müssen wir mit einem deutlichen Anstieg der Altersarmut in den kommenden zwanzig Jahren rechnen", so Christof Schiller von der Bertelsmann Stiftung. "Neben beschäftigungspolitischen Maßnahmen, um Risikogruppen noch besser in Arbeit zu bringen, sind auch zielgenaue Reformen des Rentensystems notwendig, um den Anstieg der Altersarmut zu bremsen", so Schiller.
Die Studie kritisiert, dass bei den aktuell diskutierten Konzepten einer Grundrente weder die Pläne aus dem Koalitionsvertrag noch das Modell von Bundesarbeitsminister Heil in puncto Altersarmut ausreichend zielgenau seien.
Selbst bei einer andauernden positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt und einer leicht steigenden Erwerbsquote werden das Armutsrisiko und die Grundsicherungsquote bis 2039 wachsen. Nach Berechnungen, die auf repräsentativen Haushaltsdaten beruhen, wird der Anteil der Rentner, die zusätzlich auf staatliche Unterstützung zur Existenzsicherung angewiesen sind, bis 2039 von aktuell 9 Prozent auf knapp 12 Prozent steigen. Die Armutsgefährdung im Alter würde im selben Zeitraum von aktuell 16,8 auf 21,6 Prozent klettern. Laut Studie liegt die Grundsicherungsschwelle für einen Ein-Personen-Haushalt bei etwa 777 Euro. Als armutsgefährdet gelten laut Studie Personen, deren monatliches Nettoeinkommen unter Berücksichtigung des Haushaltszusammenhangs unter 905 Euro liegt.
Das Risiko würde besonders bei alleinstehenden Frauen, Unqualifizierten und künftigen ostdeutschen Rentnern steigen.
Studienautor Schiller forderte, dass zukünftige Rentenreformen die Ursachen der Altersarmut genauer ins Visier nehmen müssten. So könne die von Arbeitsminister Heil vorgeschlagene Reform der Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung um eine einfache Einkommensprüfung ohne Vermögensprüfung und eine etwas flexiblere Auslegung der Versicherungszeiten ergänzt werden.
Durch die Einkommensprüfung könnte so sichergestellt werden, dass tatsächlich nur einkommensschwache Haushalte in den Genuss der Aufwertung der Rentenanwartschaften kommen, so Bertelsmann. Eine flexiblere Auslegung der anerkannten Versicherungszeiten käme dem wachsenden Anteil von Menschen zugute, die im Lebensverlauf längere versicherungsfreie Zeiten oder Zeiten der Erwerbslosigkeit aufweisen.
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September 12, 2019 03:44 ET (07:44 GMT)
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