Die britische Regierung hat nach Angaben des EU-Parlamentspräsidenten David Sassoli noch keinen neuen Vorschlag für die Modalitäten des Austritts aus der EU gemacht. Dies teilte Sassoli am Donnerstag unter Berufung auf den Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier mit. Barnier hatte zuvor die Fraktionsvorsitzenden des Europaparlaments über den Stand der Vorbereitungen auf den für Ende Oktober geplanten Austritt Großbritanniens aus der EU informiert. Sassoli signalisierte, dass eine erneute Verschiebung des Austrittsdatums möglich sei. Allerdings sei ein Verzicht auf die Garantieklausel (Backstop), mit der Grenzkontrollen zwischen Irland und Nordirland vermieden werden sollen, nicht möglich.
"Bis jetzt hat Großbritannien keine Alternativen vorgeschlagen, nichts, was rechtlich glaubwürdig und funktionsfähig wäre", sagte Sassoli zum britischen Verlangen, auf den Backstop zu verzichten. "Es kann keinen Vertrag ohne Backstop geben", sagte der Parlamentspräsident. "Und wenn man darüber nicht reden mag, dann bedeutet das, dass man überhaupt nicht reden mag."
Der sogenannte Backstop sieht vor, dass Großbritannien für den unwahrscheinlichen Fall, dass es nicht zu einem Abkommen über die künftigen Beziehungen kommt, in der Zollunion mit der EU bleiben muss. Sassoli wiederholte die Bereitschaft des Parlaments, auch wieder über die ursprüngliche Idee der EU-Kommission zu reden, die die Zollunion nur für Nordirland vorsah. Dieser Gedanke war aber von der britischen Regierung von Theresa May abgelehnt worden, weil dadurch eine Zollgrenze zu Nordirland entstehen würde.
Das Europaparlament sei zu einer erneuten Verschiebung des Austrittsdatums bereit, falls Großbritannien dafür gute Gründe angebe
- beispielsweise die Vermeidung eines Austritts ohne Austrittsvertrag
oder eine Neuwahl. "Leider zeigen die Signale, die wir bekommen, nicht, dass es irgendeine Initiative gibt, die die Verhandlungen wieder eröffnen könnte."
Das Europaparlament wolle in der kommenden Woche eine Resolution beschließen, in der die Position der EU noch einmal klargemacht werde. "Diese ganze Sache ist, was uns angeht, extrem schmerzhaft", sagte Sassoli. "Aber wir haben einen Moment erreicht, an dem wir wirklich unsere Haltung entschlossen und klar formulieren müssen." Er kritisierte auch die Entscheidung von Premierminister Boris Johnson, das britische Unterhaus in einen Zwangsurlaub zu schicken: "Parlamente sollten immer offen sein, wenn sie über das Schicksal großer Nationen wie des Vereinigten Königreichs zu entscheiden haben."/eb/DP/nas
AXC0195 2019-09-12/15:10