Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Rund drei Jahrzehnte nach dem Fall der Berliner Mauer hat die Bundesregierung ein positives Fazit über die wirtschaftliche Situation in Ostdeutschland gezogen. Zwar gebe es noch immer Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungskraft, aber die Lage habe sich insgesamt deutlich verbessert. Unzufriedenheit herrsche allerdings bei politischen Fragen vor. "Die Angleichung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Lebensverhältnisse zwischen Ost- und Westdeutschland ist bis heute weit vorangekommen", heißt es in dem Jahresbericht zur Deutschen Einheit, der am Mittwoch dem Kabinett vorlag.
Die Angleichung der Wirtschaftskraft erfolge seit der Jahrtausendwende weitgehend kontinuierlich. Das liege insbesondere am Wachstum von Unternehmen und Einkommen in Ostdeutschland. So sei die Wirtschaftskraft Ostdeutschlands von 43 Prozent im Jahr 1990 auf 75 Prozent des westdeutschen Niveaus im Jahr 2018 gestiegen. Damit entspräche es "nahezu dem Durchschnitt der Europäischen Union."
Zudem seien die Bruttolöhne und -gehälter und die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte auf etwa 85 Prozent des westdeutschen Niveaus geklettert, wobei sich der Abstand bei Berücksichtigung der unterschiedlichen durchschnittlichen Lebenshaltungskosten nochmals erheblich reduziere.
"Es gibt jedoch noch immer Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungskraft. Sie gehen vor allem auf strukturelle Faktoren zurück. Dazu zählen unter anderem die Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft, ein Mangel an Konzernzentralen großer Unternehmen und die ländlich geprägte Siedlungsstruktur", heißt es in dem Bericht. Dies habe damit zu tun, dass kein DAX-30 Unternehmen und nahezu kein Großunternehmen seine Zentrale in Ostdeutschland habe.
Trotz besserer ökonomischer Daten, die die Bundesregierung "eindrucksvolle Erfolge" nennt, stelle der Stand der deutsche Einheit allerdings nicht alle zufrieden, räumte die Bundesregierung ein. "Bei vielen besteht eine große Zufriedenheit mit dem eigenen Leben und der wirtschaftlichen Entwicklung", so der Bericht. "Unzufriedenheit ist in den neuen Ländern spürbar, wenn es um politische Fragen geht."
So fühlten sich laut einer jüngst für die Bundesregierung durchgeführten Umfrage 57 Prozent der Ostdeutschen als Bürger zweiter Klasse. Die Wiedervereinigung halten nur rund 38 Prozent der Befragten im Osten für gelungen, bei den Menschen unter 40 sind es sogar nur rund 20 Prozent. "Besorgniserregend sind die Zustimmungswerte für die Demokratie im Osten Deutschlands", gab der Bericht zu bedenken. Knapp die Hälfte der Menschen im Osten sei eher unzufrieden mit ihrer Funktionsweise.
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September 25, 2019 05:15 ET (09:15 GMT)
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