Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) muss wegen des angekündigten Ausscheidens von Sabine Lautenschläger in nächster Zeit zwei Vakanzen in ihrem Direktorium füllen. Lautenschläger scheidet am 31. Oktober aus dem Gremium aus - zwei Jahre vor Ende ihres Vertrags. Benoit Coeure geht turnusmäßig am Jahresende. Für seine Nachfolge gibt es bereits einen offiziellen Kandidaten.
Die Nachricht von Lautenschlägers Rücktritt kam am Mittwochabend überraschend und ohne Angabe von Gründen. Analysten spekulierten sofort, dass dieser für deutsche EZB-Offizielle nicht ganz ungewöhnliche Schritt etwas mit dem Anfang des Monats beschlossenen Lockerungspaket aus Zinssenkung und Nettoanleihekäufen zu tun habe.
Lautenschläger hatte im Vorfeld des 12. September tatsächlich angedeutet, dass sie Nettoanleihekäufe zum jetzigen Zeitpunkt für unnötig halte. Im Gegensatz zu anderen Ratsmitgliedern wie Jens Weidmann und Klaas Knot hatte sie die Entscheidung im Nachhinein aber nicht kritisiert.
Die EZB lehnte eine weitere Stellungnahme zur Personalie Lautenschläger ab, auch sie selbst war zunächst nicht erreichbar. Nach Angaben ihres Sprechers arbeitet die EZB-Direktorin aber weiter und wird auch öffentliche Verpflichtungen wie eine Rede bei einer Veranstaltung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am Sonntag in Luxemburg wahrnehmen.
Als Kandidatinnen für eine Nachfolge - Analysten erwarten eine Frau - werden die Ökonominnen Isabel Schnabel (Universität Bonn) und Claudia Buch (Bundesbank-Vizepräsidentin) genannt. Keine der beiden wollte sich jedoch auf Anfrage zu diesen Spekulationen äußern.
Die frei werdenden Positionen Coeures und Lautenschlägers - Märkte/Internationale Beziehungen und Banknoten/Marktinfrastruktur/Risikomanagement/Statistik dürften für ambitionierte Ökonominnen weitaus weniger reizvoll sein als das bereits an den Iren Philip Lane vergebene Amt des Chefvolkswirts.
Die Juristin Lautenschläger hatte ihren Weg zur EZB 2014 über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Deutsche Bundesbank genommen, deren Vizepräsidentin sie war. Lautenschlägers Fachgebiet ist die Bankenaufsicht, sie war maßgeblich am Aufbau der bei der EZB angesiedelten Bankenaufsicht SSM beteiligt und bis vor zwei Jahren dessen Vizechefin. Geldpolitisch galt Lautenschläger als Falkin. Diese Position vertrat sie auch öffentlich.
Rücktritte deutscher EZB-Offizieller haben eine gewisse Tradition. Wegen des geldpolitischen Kurses der EZB, der den in Deutschland verpönten Ankauf von Staatsanleihen beinhaltete, trat 2011 der damalige EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark zurück.
Im selben Jahr gab Bundesbank-Präsident Axel Weber sein Amt vorfristig auf, was einem Verzicht auf die Nachfolge von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet gleichkam. Weber begründete seinen Rücktritt erst nach Jahren in einem Zeitungsinterview mit den Staatsanleihekäufen, die er nicht habe mittragen wollen.
Im Jahr 2014 trat nach nur zwei Jahren Amtszeit Starks Nachfolger Jörg Asmussen als EZB-Direktor zurück. Er gab dafür nicht näher benannte persönliche Gründe an.
Über die Schließung der sich erst am Jahresende auftuenden Lücke, die der Franzose Benoit Coeure lässt, werden die Finanzminister des Euroraums bereits am 10. Oktober beraten. Eurogruppen-Chef Mario Centeno bestätigte am Mittwoch, dass er bisher einen Vorschlag erhalten habe: den Italiener Fabio Panetta.
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September 26, 2019 04:11 ET (08:11 GMT)
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