Der künftigen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen droht bei der Besetzung ihres Teams eine schwere Schlappe. Gegen die designierte EU-Binnenmarktkommissarin - die Kandidatin des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und frühere französische Verteidigungsministerin Sylvie Goulard - gibt es im Europaparlament erhebliche Bedenken.
Wegen hoher Nebeneinkünfte während ihrer Zeit als Europaabgeordnete forderten die Grünen am Donnerstag in Brüssel auch eine Obergrenze für Zusatzverdienste von EU-Parlamentariern. Goulard soll in der neuen EU-Kommission eigentlich eine Schlüsselrolle spielen. Ihr Schicksal dürfte sich nun in der kommenden Woche entscheiden.
Die EU-Kommission ist vor allem für Gesetzesvorschläge und die Einhaltung von EU-Recht in den Mitgliedstaaten zuständig. Jedes Land kann einen Vertreter entsenden. Von der Leyen hatte Anfang September die 26 Kandidaten aus den EU-Staaten für ihre neue Kommission vorgestellt, die am 1. November starten soll. Die Nominierten müssen vorher in Anhörungen in den zuständigen Ausschüssen des Europaparlaments bestehen.
Goulard musste sich am Mittwoch etlichen kritischen Fragen der Abgeordneten stellen. Hintergrund sind Ermittlungen der EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf. Goulard wurde zuletzt auch von der französischen Polizei angehört.
Konkret geht es um Vorwürfe, wonach Mitarbeiter der Partei Mouvement démocrate (MoDem) früher für einen Teil ihrer Arbeitszeit als parlamentarische Assistenten von EU-Abgeordneten bezahlt wurden. Die Partei hatte seinerzeit den Verdacht zurückgewiesen. Goulard - lange Zeit selbst Europaabgeordnete - war wegen der Vorwürfe 2017 als französische Verteidigungsministerin zurückgetreten.
Bei der Anhörung zeigten sich etliche Parlamentarier mit den Antworten der Französin unzufrieden. Unmut gab es auch wegen einer mit mehr als 10 000 Euro pro Monat dotierten früheren Beratertätigkeit für eine Denkfabrik des Privatinvestors Nicolas Berggruen. Goulard muss nun schriftlich weitere Fragen beantworten. Im Anschluss könnte es eine weitere Anhörung geben, hieß es aus dem Parlament.
"Es ist eine sehr einfache, aber notwendige Frage: Wieso kann man als französische Ministerin nicht weitermachen, aber als EU-Kommissarin anfangen wollen?", sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU). Inhaltlich sei Goulard in vielen Dingen allerdings nah an Positionen seiner Parteienfamilie.
Die Grünen forderten, die Regelungen zu Nebeneinkünften im Europaparlament grundsätzlich an die des US-Kongresses anzupassen, wo die Obergrenze bei 15 Prozent des Jahresgehalts als Abgeordneter liegt.
Neben Goulard müssen noch andere Kandidaten nachbessern, darunter der Kandidat für das Agrarressort, Janusz Wojciechowski aus Polen und die designierte Innenkommissarin Ylva Johansson aus Schweden.
Kritischen Fragen vor allem zum Titel seines Portfolios musste sich auch der designierte Kommissar "zum Schutz der europäischen Lebensweise", Margaritis Schinas, stellen. Etliche Abgeordnete forderten eine Änderung des Titels, in dem sie eine sprachliche Nähe zu rechter Rhetorik sehen. Schinas, der von der konservativen griechischen Regierung von Kyriakos Mitsotakis nominiert wurde, soll als Vizepräsident die Arbeiten der Kommission etwa in den Bereichen Bildung und Kultur aber auch in Sachen Migration steuern.
Ohne größere Schwierigkeiten bestanden hingegen etwa der als Handelskommissar vorgesehene Ire Phil Hogan und Marija Gabriel aus Bulgarien ihre Befragungen. Dies gilt auch für den ehemaligen italienischen Regierungschef und designierten Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.
Zuvor hatte der Rechtsausschuss des Europaparlaments bereits gegen die Kandidaten aus Ungarn und Rumänien wegen grundsätzlicher Interessenkonflikte sein Veto eingelegt. Ungarn nominierte daraufhin seinen EU-Botschafter Oliver Varhelyi nach./asa/DP/zb
AXC0015 2019-10-04/05:27