BERLIN (Dow Jones)--Hunderte deutsche Industrieunternehmen müssen sich auf milliardenschwere Nachzahlungen von Stromabgaben einstellen. Sie werden derzeit geprüft, ob sie die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu Unrecht über Jahre einbehalten haben, wie das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet. Die vier Übertragungsnetzbetreiber Amprion, Tennet, 50Hertz und TransnetBW haben dazu umfassende juristische Gutachten beauftragt, bestätigte Amprion gegenüber Dow Jones Newswires.
Sie wollen "diskriminierungsfrei und rechtssicher" geklärt wissen, ob ein von der Industrie angewandtes Eigenstrommodell zulässig war oder ob es über Jahre hinweg nur dazu diente, Milliarden Euro EEG-Umlage einzusparen. Laut Spiegel geht es um ein sogenanntes Scheibenpachtmodell, bei dem die Kapazität großer Kraftwerke in mehrere Pakete - sogenannte Scheiben -aufgeteilt und weiterverpachtet wird. Die Industrieunternehmen hätten sich dabei eine Ausnahmeregelung zunutze gemacht, bei der derjenige von der EEG-Umlage befreit ist, der selbst Strom erzeugt und verbraucht. Durch das Pachtmodell werden die Firmen als gleichberechtigte Kraftwerksbetreiber behandelt und müssen keine oder nur eine reduzierte EEG-Umlage zahlen.
Mehrere Gerichte erklärten diese Praxis laut Amprion in der Vergangenheit für rechtswidrig. Doch mit einer Amnestieregelung erlaubte der Gesetzgeber zum 1. Januar 2017 zahlreichen Unternehmen dennoch eine EEG-Befreiung. Die Übertragungsnetzbetreiber prüfen nun, ob die Voraussetzungen der Amnestieregelung erfüllt sind. Rund 300 Fälle würden nun überprüft, so ein Amprion-Sprecher. Laut Spiegel sind darunter neben Stromversorgern auch renommierte Unternehmen der deutschen Industrie wie Daimler oder die Bayer AG. Amprion wollte Namen von Unternehmen indes nicht bestätigen. Bis Jahresende soll die Prüfung abgeschlossen sein, so der Sprecher.
Sollte sich die Vermutung bewahrheiten, wollen die Netzbetreiber die nicht geleisteten Umlagebeträge nachfordern. Wegen des langen Zeitraums könnte die Summe in Milliardenhöhe gehen. Der Amprion-Sprecher erwartet, dass es in zahlreichen Fällen "eine gerichtliche Klärung" geben werde. Das Geld würde bei Erfolg dem EEG-Konto zugeschrieben und könnte dann die Stromrechnung von Privatkunden entlasten. Wegen des Umlagesystems mussten sie in der Vergangenheit ausgleichen, was die Industrieunternehmen eingespart haben.
Die vom Spiegel befragten Unternehmen versicherten, sich auch in der Vergangenheit an alle gesetzlichen Vorschriften gehalten zu haben.
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October 04, 2019 12:00 ET (16:00 GMT)
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