Von Hans-Joachim Koch
FRANKFURT (Dow Jones)--Bescheidenheit gehört wahrlich nicht zu seinen Charakteristika. Bill McDermott ist ein Verkäufertyp, der sich, seine Stärken und seine Produkte anpreist - und der auch SAP perfekt präsentieren konnte. Doch er schwatzte niemandem etwas an oder auf, sondern überzeugte mit Argumenten und Zahlen, die gedeckt waren.
Mögen seine inflationär gebrauchten Superlative ("beispiellos", "einzigartig", "wir stehen an der Spitze") rund um SAP für deutsche Ohren auch häufig zu dick aufgetragen wirken, unter dem Strich hat er Recht behalten. Er schaffte es, den Marktwert von SAP seit seinem Amtsantritt von 45 Milliarden 2010 auf knapp 140 Milliarden Euro zu vervielfachen, das Betriebsergebnis zu verdoppeln, auch wenn es gerade in den vergangenen zwei Jahren manchen Durchhänger beim Kurs und manchen Zweifel an der Margenwende gab.
Die nächsten Ziele, die er im Frühjahr in einem Interview ausgegeben hatte, die Börsenbewertung auf 250 bis 300 Milliarden Euro noch einmal zu verdoppeln, werden nun seine Nachfolger in Angriff nehmen müssen. Sie starten aber mit einem Vertrauensvorschuss, wie die Kursentwicklung und auch die Reaktionen vieler Analysten zeigen.
Aber die Prägung der neuen SAP-Führung durch McDermott spiegelt sich auch in vielen Analystenkommentaren wieder. Sie loben die Kontinuität, was letztlich eine Verneigung vor McDermotts Leistung ist. So spricht die Commerzbank von den McDermott-Kids, die das Ruder nehmen. Denn Jennifer Morgan und Christian Klein seien Ziehkinder von McDermott und stünden als solche für die Fortsetzung der eingeschlagenen strategischen Ausrichtung.
Diese Ausrichtung ist bestimmt durch die Cloud. Hier macht SAP das Wachstum, hier liegt die große Hoffnung für die Zukunft. Die Weichen dazu stellte McDermott frühzeitig. Gerade die Betonung auf frühzeitig ist wichtig, um seine Leistung für SAP richtig zu bewerten. Aufsichtsratschef und SAP-Mitgründer Hasso Plattner stellte dies in seinen Lobworten besonders heraus. Für diesen strategischen Schwenk weg von Software auf den Rechnern der Kunden hin zu einem Geschäftsmodell in der Wolke waren immense Investitionen zu schultern.
Das lastete auf dem Ergebnis und zeigte sich deutlich in der operativen Marge, die immer kritisch beäugt wird von den Analysten. Bei einigen verschwand zwischenzeitlich die Dauer-Buy-Stimmung, als die Margenwende auf sich warten ließ. Doch SAP hat bei den gegebenen Prognosen spätestens am Jahresende immer geliefert, ein Verdienst von McDermott und vor allem seines besonnenen Finanzvorstands Luka Mucic.
Und es verwundert nicht, dass der Amerikaner das Timing für seinen Abgang gezielt wählte. Die vorzeitig veröffentlichten Drittquartalszahlen waren über Erwarten gut ausgefallen, in der Pressemitteilung mit "hervorragend" betitelt und sie "erfüllen mich mit Stolz", wie McDermott zitiert wird. Seinen Nachfolgern gab er mit auf den Weg, dass "vor uns eine fantastische Zukunft liegt", was - und hier kommt wieder der begnadete (Selbst-)Verkäufer - eben auch sagen will, dass er jetzt die wohlgeordnete Übergabe eines überaus erfolgreichen Unternehmens vollzieht.
Noch hat McDermott nicht rausgelassen, wohin ihn sein Weg führen wird. Heute wolle er das Feld Morgan und Klein überlassen, gab er sich ungewohnt zurückhaltend im morgendlichen Analystencall. Doch die Spekulationen werden schnell ins Kraut schießen. Denn mit 58 Jahren ist der gebürtige New Yorker noch zu jung und wohl auch zu ehrgeizig, um auf beschauliches Rentnerdasein umzuschalten.
Einer seiner Lieblingssprüche vor Analysten und Journalisten - "The best is yet to come" - könnte jetzt auch für ihn persönlich gelten.
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October 11, 2019 09:08 ET (13:08 GMT)
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