Nach dem Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien wird in der EU über mögliche Sanktionen diskutiert. Schweden sprach sich am Freitag offen für ein EU-weites Waffenembargo gegen das Land aus. Im nächsten Schritt wolle man bei einer Verschlechterung der Lage auch "Wirtschaftssanktionen oder Sanktionen gegen Einzelpersonen" vorschlagen, sagte Außenministerin Ann Linde.
Das Thema Sanktionen liege auf dem Tisch, erklärte die französische Europastaatssekretärin Amélie de Montchalin in Paris. Es werde in der kommenden Woche beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel debattiert werden.
Dass es dort bereits eine Entscheidung geben wird, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Diplomaten in Brüssel verwiesen am Freitag darauf, dass die Türkei noch immer Nato-Partei sei und bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise als Partner gebraucht werde.
Zudem gibt es die große Hürde, dass EU-Sanktionen einstimmig beschlossen werden müssten. Ungarn wollte zuletzt nicht einmal eine EU-Erklärung unterstützen, mit der die türkische Militäroffensive in Nordsyrien klar verurteilt wird.
Als wahrscheinlich gilt deswegen, dass Staaten vorerst selber entscheiden müssen, ob sie einen Waffenexportstopp oder andere Strafmaßnahmen verhängen. Die Niederlande kündigten am Freitag zum Beispiel unilateral einen Lieferstopp an. Solange die türkischen Angriffe andauerten, werde es keine Zustimmung zu Waffenlieferungen geben, erklärte der stellvertretende Ministerpräsident Hugo de Jonge in Den Haag.
Bereits am Donnerstag hatte das nicht zur EU gehörende Norwegen mitgeteilt, vorerst keine neuen Anfragen nach Rüstungsexporten in die Türkei zu bewilligen. Die schwedische Außenministerin Linde erklärte am Freitag, ihr Land erteile bereits seit dem vergangenen Jahr keine Ausfuhrgenehmigungen für militärische Kampfmittel in Türkei mehr.
Noch vor den Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten werden sich am Montag die Außenminister bei einem Treffen in Luxemburg mit dem Umgang mit der Türkei beschäftigen. Für Deutschland wird Außenminister Heiko Maas (SPD) zu dem Treffen erwartet. Die Bundesregierung hatte sich in der Vergangenheit eher zurückhaltend gezeigt, wenn es um einen harten Kurs gegenüber der Türkei ging. Als Grund gilt unter anderem die Sorge, dass das Land Flüchtlinge aus Syrien unkontrolliert in Richtung Westeuropa ziehen lassen könnte.
Die türkische Militäroffensive in Nordsyrien läuft seit Mittwochnachmittag. Sie richtet sich gegen die kurdische YPG-Miliz, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit eine Terrororganisation. Die Offensive stößt international auf scharfe Kritik. Regierungen und Institutionen hatten aber auch von legitimen Sicherheitsinteressen der Türkei im Grenzgebiet gesprochen./aha/DP/he
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