BERLIN (Dow Jones)--Das geplante Gesetzespaket zur steuerlichen Förderung von Elektromobilität ist bei Verbänden auf scharfe Kritik und sogar die Androhung einer Klage gestoßen. Er sei "überrascht", dass die Elektromobilität auf der Schiene "runtergefahren wurde und weiter wird", erklärte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch bei einer Anhörung im Deutschen Bundestag. Nur noch 0,2 Prozent der bundesweiten Bahn-Strecken würden pro Jahr elektrisch ausgebaut. Das sei ein Allzeit-Tief, sagte Resch. Bei der Elektrifizierung der Schiene liege die Bundesrepublik sogar hinter Polen und Portugal.
In dem Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), der Teil des Klimaprogramms 2030 der Bundesregierung ist, geht es jedoch ausschließlich um den Straßenverkehr. So sollen rein elektrische Lieferfahrzeuge von einer Sonderabschreibung profitieren. Mit einer Pauschalbesteuerung - 25 Prozent ohne Anrechnung auf die Entfernungspauschale - soll das Jobticket begünstigt werden, damit Arbeitnehmer häufiger vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen. Auch will die Regierung die private Nutzung von Dienstwagen länger als bisher geplant fördern.
VDA fordert Ausweitung der Steuer-Privilegien
Das stieß bei der DUH und der Denkfabrik Agora Verkehrswende auf Kritik. Das Festhalten am "Dienstwagenprivileg" werde den Ausbau des Automobilverkehrs nicht stoppen, monierte Agora-Verkehrsökonom Carl-Friedrich Elmer. Dabei brauche es gerade einen Umstieg weg vom Individualverkehr, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Nötig sei auch eine höhere Besteuerung von emissionsintensiven Verbrennern, etwa mit einem Bonus-Malus-System. Das nun geplante Gesetz sei "quasi ein Zuckerbrot vollkommen ohne Peitsche" und stelle vor allem einkommensstarke Gruppen besser, so Elmer.
Der Verband Deutscher Automobilbauer (VDA) begrüßte indes die geplante steuerliche Abschreibung von E-Lieferfahrzeugen. Die Förderung müsse aber "auf mehr Fahrzeugklassen" ausgeweitet werden, forderte die VDA-Abteilungsleiterin Steuern und Zölle, Karoline Kampermann. Zudem müsse die Gewichtsbeschränkung bei der Förderung fallen.
Der 327-seitige Scholz-Entwurf, der in der vergangenen Woche vom Kabinett verabschiedet worden war, enthält neben dem Ausbau der E-Mobilität aber auch noch zahlreiche weitere steuerliche Änderungen. So sollen die Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen steigen, für E-Books künftig nur noch der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gelten.
Anlegerschützer prüfen Klage
Laut der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hätte der Entwurf merkliche negative Auswirkungen für Anleger. "Sollte es nicht zu deutlichen Anpassungen kommen, bestehen konkrete verfassungsrechtliche Bedenken", erklärte der DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. "Eine Klage ist bereits in Prüfung." Hintergrund der DSW-Kritik ist insbesondere ein Punkt, der eher versteckt im hinteren Teil des Entwurfs zu finden sei. Dabei gehe es um die Abschaffung der Möglichkeit, Verluste steuerlich anrechnen zu lassen, die Aktionären oder Anleihebesitzern durch die Insolvenz eines Unternehmens entstehen, in das sie investiert habe. Investoren, die ihre Papiere noch kurz vor der Insolvenz verkaufen, können dagegen die ihnen dadurch entstandenen Verluste nach wie vor steuerlich anrechnen lassen. "Nach unserer Ansicht ist die geplante Änderung verfassungsrechtlich nicht haltbar", erklärte Tüngler. Eine solche asymmetrische Ausgestaltung der Besteuerung von Wertveränderungen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen widerspräche den Regelungen zur Gewinnberechnung.
Scholz will bei der Weiterbildung Geld einsammeln
Auf Kritik stieß in der Anhörung schließlich auch eine Regelung, wonach eine Reihe an Weiterbildungsmaßnahmen künftig aus der Steuerbefreiung fallen soll. Fortbildung sei nur noch dann befreit, "wenn sie von Einrichtungen erbracht wird, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben", heißt es in dem Gesetzentwurf. Nicht befreit seien Leistungen, "die nach ihrer Zielsetzung der reinen Freizeitgestaltung dienen".
Die Bundesgeschäftsführerin der Katholischen Erwachsenenbildung Deutschlands, Andrea Heim, sagte, dies führe dazu, dass zahlreiche Einrichtungen nun eine Umsatzsteuerpflicht prüfen müsste. Dies sei besonders für die vielen oft freiwilligen Helfer "wirklich unzumutbar" und es könne dazu führen, dass der Zugang zu Bildung etwa für Senioren und Arbeitslose erschwert werde. Auch für den geordneten Sportbetrieb und das Ehrenamt sei es "kaum noch machbar", wenn nun noch eine steuerliche Hürde hinzukomme, erklärte der Finanzvorstand des Deutschen Olympischen Sportbunds, Thomas Arnold. Rund 2 Millionen Teilnehmer könnten von einer strengen Auslegung der Norm betroffen sein, warnte der Vorstand des Deutschen Volkshochschul-Verbands, Ulrich Aengenvoort. Das Gesetz müsse auf Gemeinwohl und Allgemeinbildung stärker Rücksicht nehmen. Das Finanzministerium hatte im Gesetzentwurf erklärt, mit diesen Änderungen gültiges EU-Recht umzusetzen und auch Verfahren zu vereinfachen. Aengenvoort entgegnete, die EU habe sich nicht dezidiert geäußert, was sie unter Freizeitcharakter verstehe.
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