Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Der Bundestag hat nach intensiven Verhandlungen einer Grundgesetzänderung zugestimmt und damit grünes Licht für eine Reform der Grundsteuer gegeben. Eine Neufassung bis Jahresende war nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts notwendig geworden, denn es hatte die veralteten Bemessungsgrundlagen für verfassungswidrig erklärt. Von den 644 abgegebenen Stimmen sprachen sich 495 der Abgeordneten für die Reform aus. Mit Nein stimmten 139 und zehn enthielten sich ihrer Stimme. Damit war die notwendige Zweidrittelmehrheit vorhanden.
"Die neue Grundsteuer ist gerecht, denn wir stellen sicher, dass der Villenbesitzer in der begehrten Lage nicht besser gestellt wird und weniger Steuern zahlt als der Besitzer einer einfachen Immobilie in einer Randlage", sagte SPD-Abgeordnete Bernhard Daldrup am Freitag im Bundestag. Dieser Sichtweise hat sich auch der Deutsche Städtetag angeschlossen.
Nach monatelangen Verhandlungen hatten sich Bund und Länder darauf verständigt, dass die Grundsteuer in Zukunft nach dem Wert des Grundstückes ermittelt werden soll. Allerdings ist nach Kritik aus Bayern und der Unions-Fraktion auch eine Öffnungsklausel für Bundesländer vorgesehen. Danach können Länder eigene Gesetze einführen, die sich auch, wie von Bayern gefordert, rein an der Fläche und nicht am Wert orientiert.
Nun muss der Bundesrat noch den Gesetzesentwürfen zur Grundsteuer zustimmen. Allerdings gilt eine Unterstützung von der Länderkammer als sicher. Denn nicht nur Union und SPD, sondern auch die Grünen und FDP haben sich hinter das Modell gestellt.
In einem Kompromiss zwischen den Regierungsfraktionen und der FDP wurde noch am Mittwoch ein Passus ins Gesetz eingefügt, nach dem in Bundesländern, die die Öffnungsklausel nutzen wollen, für die Steuerpflichtigen "keine zusätzlichen Erklärungspflicht" gegenüber den Finanzämtern entstehen.
Trotz der erreichten Zweidrittelmehrheit gab es von den Unterstützern der Reform im Bundestag auch Kritik an den Regelungen. "Diese eklatante Ungerechtigkeit nehmen Befürworter des sogenannten Flächenmodells, wenn es denn irgendwann überhaupt kommt, bewusst in Kauf", kritisierte Daldrup die Koalitionspartner von der Union.
Dieses Vorwurf wies der CDU-Abgeordnete Andreas Jung zurück. Es sei richtig, dass die Länder auf unterschiedliche Gegebenheiten unterschiedlich reagieren könnten und "nicht alles über einen Kamm" geschoren werde. "Dass die Länder in Zukunft ihre eigene Grundsteuer machen können - das ist richtig", sagte Jung. "Das ist ein Fortschritt für Föderalismus und ein Fortschritt für passgenaue und gute Lösungen."
Auch die Wirtschaft ist erleichtert, dass die Bundesländer eine eigene Regelung bei der Grundsteuer vornehmen können. Denn bei dem vorgesehenen Bundesmodell hätten die Betriebe ihre Immobilien "sehr aufwendig" und bürokratisch für die Grundsteuer bewerten müsse, kritisierte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK).
"Das bürokratiearme Flächenmodell nutzt einfach die Fläche des Grundstücks und des Gebäudes. Diese Daten liegen in der Regel bei den Unternehmen vor", sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. "Deshalb ist es richtig, dass zumindest eine Öffnungsklausel für die Bundesländer verabschiedet wurde."
Mit der Grundsteuerreform wird eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen sichergestellt. Denn ohne Grundsteuerreform bis zum Jahresende drohten ihnen jährliche Einnahmen von fast 15 Milliarden Euro zu entgehen. Der zwischen Bundesregierung und Bundesländern erzielte Kompromiss soll insgesamt zu keiner Mehrbelastung der Bürger führen.
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October 18, 2019 04:54 ET (08:54 GMT)
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