BERLIN (Dow Jones)--Der Nationale Normenkontrollrat hat die Bundesregierung zu mehr Sorgfalt bei der Verabschiedung neuer Gesetze aufgefordert. Entwürfe würden häufig mit stark verkürzten Fristen abgestimmt, heißt es im Jahresbericht 2019, den das Beratergremium am Dienstag in Berlin vorstellte. Dies habe noch einmal zugenommen. Es sei für Ministerien, Länder und Verbände jedoch unmöglich, binnen Stunden oder weniger Tage komplexe Regelungen sorgfältig zu prüfen. "Bei allem Verständnis für politische Zwänge muss Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen, ansonsten ist die Gesetzesqualität ernsthaft in Frage gestellt", so der Bericht.
Der Normenkontrollrat hat in dem Papier auch festgestellt, dass frühere Kosten-Entlastungen durch neue Bürokratie im vergangenen Jahr wieder aufgefressen wurden. So stieg der Erfüllungsaufwand für Verwaltung, Wirtschaft und Bürger um insgesamt 831 Millionen Euro. Damit wurden Entlastungen aus den Jahren 2017 bis 2018 in Höhe von 880 Millionen Euro nahezu wieder ausgeglichen. Umso wichtiger ist, dass die Bundesregierung mit dem dritten Bürokratieentlastungsgesetz III nun ein wichtiges Zeichen setze, erklärte der Ratsvorsitzende Johannes Ludewig.
Unternehmen fühlten keine Entlastungen
Trotz einzelnen Fortschritten kämen bei Unternehmen gefühlt weniger Entlastungen an. Rund 550 Millionen Euro betrage allein der Aufwand, EU-Recht umzusetzen. Auch der Einmalaufwand für die Anpassung an neue Gesetze sei erheblich. Das Beratergremium fordert, für die regelmäßige Überprüfung von Gesetze auf ihre Wirksamkeit auch verbindliche Standards und eine wirksame Qualitätssicherung einzuführen.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie nannte es "eine schlechte Nachricht, dass Unternehmen immer stärker unter Bürokratie leiden", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. Er regte an, Aufbewahrungsfristen im Steuerrecht von derzeit zehn Jahren auf fünf Jahre zu verkürzen und Betriebsprüfungen zeitnäher durchzuführen. Auch sorge die A1-Bescheinigung, die bei jeder Dienstreise ins EU-Ausland erforderlich sei, um das anwendbare Sozialversicherungsrecht zu dokumentieren, "unnötigen Aufwand in Unternehmen", so Lösch.
DIHK: Höchstens drei Tage Zeit zur Stellungnahme
Die Einbeziehung der Wirtschaft durch den Gesetzgeber lasse zunehmend zu wünschen übrig, kritisierte der Hautgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Martin Wansleben. So habe die Frist zur Stellungnahme beim dritten Bürokratieentlastungsgesetz drei Tage, bei der Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen drei Tage über das Wochenende und bei den steuerlichen Regelungen aus dem Klimapaket ein Tag gewesen. "Der Eindruck entsteht, dass Beratung zu den politischen Auswirkungen keine Priorität hat", erklärte Wansleben.
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October 22, 2019 05:04 ET (09:04 GMT)
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