Etwa eine Woche vor dem geplanten Brexit gibt es im britischen Parlament große Verärgerung über den Zeitdruck. Premierminister Boris Johnson muss das Gesetz zur Ratifizierung des Brexit-Vertrags im Eiltempo durch das Parlament peitschen. Denn er will am 31. Oktober Großbritannien aus der Europäischen Union führen.
Das jetzt den Abgeordneten präsentierte Dokument zum Gesetz umfasst etwa 110 Seiten. Um abstimmen zu können, müsse man den Inhalt kennen, sagte Emily Thornberry von der Labour-Partei. "Warum sollten wir das Spiel von Boris Johnson mitspielen?" Als "skandalös" bezeichnete Labours Brexit-Experte Keir Starmer das Vorgehen. Auch Pete Wishart von der Schottischen Nationalpartei war erbost: "Wie um Himmels willen sollen wir die Chance haben, das angemessen zu beurteilen?"
Nach Angaben des Brexit-Experten Joe Owen von der Denkfabrik The Institute for Government bekommt das Gesetz zum EU-Austritt weniger Zeit im Unterhaus als ein Gesetz für Wildtiere in britischen Zirkussen: Es habe nur 19 Tiere betroffen, darunter zwei Kamele.
Das Unterhaus berät an diesem Dienstag in zweiter Lesung über das Gesetz. Eine erste Abstimmung dazu ist noch am Dienstagabend (ca. 20 Uhr MESZ) geplant. Dann könnte sich schon abzeichnen, ob Johnsons Brexit-Pläne Chancen auf eine Mehrheit haben.
Auch über den Fahrplan, wie das Gesetz in so kurzer Zeit durch das Parlament gebracht werden kann, sollen die Abgeordneten am Abend abstimmen. Insgesamt umfasst das Verfahren drei Lesungen in beiden Parlamentskammern in London.
Am Mittwoch sollen die Abgeordneten bis in den späten Abend hinein tagen. Es wird auch mit Änderungsanträgen gerechnet.
Erst danach stimmt das Europaparlament über das Vertragswerk ab. Dies wird nicht mehr in dieser Woche sein, wie der portugiesische Parlamentsvize Pedro Silva Pereira am Montagabend mitteilte. Damit wird der Zeitplan für Johnsons Vorhaben allerdings noch enger./si/DP/mis
AXC0136 2019-10-22/12:05