
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Frankfurter Ökonom Volker Wieland hat das seit 2003 geltende Inflationsziel von "unter, aber nahe 2 Prozent" gegen die Kritik verteidigt, lediglich das Vehikel der milliardenschweren Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) zu sein. "Das war keine fatale Entscheidung, das war eine sehr kluge Entscheidung", sagte Wieland beim ersten geldpolitischen Forum der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) in Frankfurt. Er bezog sich auf die 2003 vorgenommene Präzisierung, dass die Inflation nicht nur unter 2 Prozent liegen sollte, sondern auch einen Sicherheitsabstand zur Nulllinie halten sollte.
Der Leiter des Institutes for Monetary and Financial Stability (IMFS) wies darauf hin, dass die Inflation tendenziell wohl zu hoch ausgewiesen werde, weil Statistiker im Rahmen der hedonischen Preismessung Qualitätssteigerungen bei den im Verbraucherpreisindex enthaltenen Gütern und Dienstleistungen nicht ausreichend berücksichtigen. Bei einer gemessenen Inflation von 1 Prozent liegt die tatsächliche Inflation deshalb möglicherweise nur knapp über null. Eine Inflation nahe an Null geht aber wahrscheinlich mit deflationären Tendenzen in einzelnen Wirtschaftszweigen oder auch einzelnen Euro-Ländern einher.
Wieland trat auch der Meinung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer entgegen, die Präzisierung des Preisstabilitätsbegriffs von 0 bis 2 Prozent auf "unter, aber nahe 2 Prozent" Inflation komme einem Schwenk von einem Zielband zu einem Punktziel gleich. "Auch das war ein Band, es implizierte eine gewisse Unschärfe", sagte Wieland. Von keinem EZB-Beschluss gedeckt sei dagegen die öffentliche Aussage Draghis, 1,9 Prozent Inflation seien Preisstabilität.
Wieland plädierte für einen pragmatischen Umgang mit dem bestehenden Inflationsziel. "Man muss ja nicht alleine auf den Verbraucherpreisindex gucken, man könnte breitere Inflationsmaße in die Betrachtung einbeziehen", sagte er unter Verweis auf den Preisindex des Bruttoinlandsprodukts (BIP-Deflator). Auch die Finanzstabilität sollte die EZB seiner Meinung nach berücksichtigen - "aber nicht mechanistisch, indem man Vermögenswertpreise in den Index mit einbezieht", wie er sagte.
Eine stärkere Rolle sollte seiner Meinung nach auch wieder die inzwischen fast bedeutungslose monetäre Säule der geldpolitischen Strategie spielen. Wieland wies darauf hin, dass das Geldmengenwachstum im Vorfeld der Finanzkrise stark gestiegen sei.
Wieland will nicht ausschließen, dass eine künftige EZB-Strategie auch Elemente einer Preisniveausteuerung enthalten wird. Im Rahmen einer Preisniveausteuerung würde die EZB versuchen, eine längere Verfehlung des Inflationsziels nach unten durch ein Überschießen der Inflation im Nachgang auszugleichen.
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October 31, 2019 08:56 ET (12:56 GMT)
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