Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat einen neuen, entschlossenen Anlauf bei der Vervollkommnung der europäischen Bankenunion gefordert und dabei ein Entgegenkommen Deutschlands bei der sehr umstrittenen gemeinsamen Einlagensicherung angedeutet. In einem Meinungsbeitrag für die Financial Times (FT) verbindet Scholz diesen Vorschlag allerdings weiterhin mit der Forderung, Staatsanleihen in Bankbilanzen künftig - wenn auch erst nach einer Übergangsfrist - mit Eigenkapital zu hinterlegen. Laut FT ist dieser Vorstoß nicht mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgestimmt.
Scholz gliedert seinen Vorschlag in vier Punkte:
1. Einheitliche Insolvenz- und Abwicklungsprozeduren
Das System soll dem der US-Einlagensicherung FDIC folgen und könnte die Bildung von Überbrückungsbanken beinhalten. Erfasst wären nicht wie bisher nur die von der EZB direkt beaufsichtigten Großbanken, sondern auch kleinere Institute. Wo aufgrund drohender Wettbewerbsverzerrungen nötig, würde die Abwicklungsbehörde SRB eingeschaltet werden, im Falle systemisch nicht relevanter Banken würden aber keine Mittel des Abwicklungsfonds fließen.
Scholz befürwortet ein einheitliches Insolvenzregime auch für kleinere Institute und eine stärkere Integration europäischer Bankengruppen. Hierbei sollten die Interessen der "gastgebenden" Länder bei der Lastenteilung angemessen berücksichtigt werden.
2. Weitere Risikoreduzierung
Notleidende Kredite sollten weiter abgebaut und die mit Staatsanleihen in Bankbilanzen einhergehenden Risiken berücksichtigt werden. "Wir sollten zur Berücksichtigung der Kredit- und Konzentrationsrisiken aus der Exponierung von Banken gegenüber Staaten Kapitalanforderungen einführen, und zwar vorsichtig und langsam, damit die Finanzstabilität nicht gefährdet ist", schreibt Scholz in der FT. In der Folge würden Banken in ganz Europa ihre Staatsanleihebestände diversifizieren und damit ihre Stabilität verbessern. Das würde vor allem Ländern mit schwächeren Ratings helfen.
3. Gemeinsame Einlagensicherung
"Eine verbesserte Bankenunion sollte irgendeine Form eines gemeinsamen Einlagensicherungsmechanismus haben", schreibt Scholz und fügt hinzu: "Für einen deutschen Finanzminister ist das kein kleiner Schritt." Ein europäisches Einlagenrückversicherungssystem würde laut Scholz die Stabilität nationaler Systeme erheblich verbessern, zentrales Element dieses Systems müsste aber die nationale Verantwortlichkeit bleiben. Scholz schlägt für den Fall des Scheiterns einer Bank einen dreistufigen Prozess vor:
a) Es werden die Ressourcen der nationalen Einlagensicherung eingesetzt
b) Sind deren Mittel erschöpft, stellt ein vom SRB verwalteter europäischer Einlagensicherungsfonds in begrenztem Umfang Liquidität über rückzahlbare Kredite zur Verfügung.
c) Reichen auch dieses Mittel nicht, tritt der zuständige Mitgliedstaat in Aktion.
"Eine begrenzte Verlustübernahme durch den europäischer Einlagensicherungsfonds könnte für den Fall erwogen werden, dass alle Elemente der Bankenunion voll implementiert sind", schreibt Scholz.
4. Steuer-Arbitrage verhindern
Scholz fordert stärkere Bemühungen, um eine Steuer-Arbitrage durch Banken zu verhindern. "Wir brauchen eine einheitliche Besteuerung von Banken in der EU", fordert der Bundesfinanzminister.
Scholz zufolge ist wegen des nahenden EU-Austritts Großbritanniens mit dem Verlust des Finanzplatzes London und angesichts einer neuen EU-Kommission jetzt ein guter Zeitpunkt, um dem Projekt einer Bankenunion neuen Schwung zu verleihen. Sein Vorschlag hat laut FT noch nicht die Billigung Merkels. Konservative Kreise in der CDU und die Sparkassen haben das Projekt einer gemeinsamen Einlagensicherung bisher strikt abgelehnt.
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November 06, 2019 03:52 ET (08:52 GMT)
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