BERLIN (Dow Jones)--Bei einer Expertenanhörung im Bundestag haben Umweltexperten das geplante Bundes-Klimaschutzgesetz begrüßt, aber als nicht weitgehend genug bezeichnet. Derzeit steuere Deutschland auf eine Erderwärmung in Höhe von 3,5 Grad Celsius zu, warnte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert, laut der Pressestelle des Deutschen Bundestages. Es seien daher "deutliche Nachschärfungen" beim Gesamtpaket nötig, um einen absehbaren Pfad bis 2030 zu schaffen. Bei der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit verwies Niebert am Mittwoch auch auf die Probleme beim Ausbau der erneuerbaren Energien.
Als "nicht ausreichend" bezeichnete Antje von Broock, stellvertretende Bundesgeschäftsführerin Politik und Kommunikation der Klima-Allianz Deutschlands, das Klimaschutzprogramm. Die Sektorziele seien nicht verbindlich genug hinsichtlich der Zielerreichung, sondern eher ein "Verschiebebahnhof".
Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) erklärte, mit den Maßnahmen sei keine genaue Zielerreichung möglich. Der Preis dafür werde sein, dass "wir alle Jahre wieder einen gewissen klimapolitischen Aktionismus zu bewältigen" haben, sagte der Abteilungsleiter für Wirtschafts- und Energie- und Umweltpolitik, Alexander Barthel. Der Deutsche Landkreistag begrüßte das Paket zwar. Allerdings werde der ländliche Raum als Standort von Industrie und produzierendem Gewerbe etwa hinsichtlich der Fragen einer CO2-Bepreisung "überproportional betroffen" sein, erklärte Kay Ruge.
DGB fürchtet soziales Ungleichgewicht
Der Deutsche Gewerkschaftsbund teilte die Kritik am Klimaschutzgesetz nicht. Dass klare Verantwortlichkeiten in den Sektoren zugewiesen wurden, habe es bislang nur im Bereich der Energiewirtschaft gegeben, erklärte der Abteilungsleiter Energiepolitik, Frederik Moch. Allerdings kritisierte er die Mittel, die insgesamt zur Verfügung gestellt wurden, als zu gering: "Eine Finanzierung, die sehr stark über Konsumabgaben steuert, hat eine soziale Ungleichgewicht zur Folge", so Moch laut der Bundestags-Pressestelle.
Der stellvertretende Leiter des Fraunhofer Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik, Görge Deerberg, betonte, die Beschlüsse im Rahmen des Klimaschutzprogramms gingen in die richtige Richtung. Er berichtete dem Ausschuss von einer Methode, die das Institut gemeinsam mit der Stahlindustrie erarbeite. Unvermeidbare CO2-Emissionen müssten als Rohstoff genutzt werden. Deerberg forderte, zusätzliche Kapazitäten für Strom aus erneuerbaren Energien für die Produktion von Wasserstoff zu schaffen, Importe zu erhöhen und negative Anreize durch eine Anpassung des Steuer- und Abgabensystems für Strom abzubauen.
CO2-Preis als "Politikmarketing" kritisiert
Dagegen warnte der Cottbusser Wirtschaftswissenschaftler Jan Schnellenbach, dass der geplante Einstiegspreis für den nationalen CO2-Emissionshandel zu niedrig sei. Die Koalition plant 10 Euro ab 2021, das Umweltbundesamt geht von Preisen bis zu 180 Euro pro Tonne aus. Das sei "kein echter Emissionshandel, sondern Politikmarketing", sagte Schnellenbach.
Das Bundes-Klimaschutzgesetz gibt erstmals konkrete jährliche Minderungsziele für die Sektoren Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude, Land- und Abfallwirtschaft vor. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen insgesamt um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken. Das Gesetz schreibt für Deutschland auch fest, "Treibhausgasneutralität bis 2050 als langfristiges Ziel zu verfolgen".
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November 06, 2019 11:14 ET (16:14 GMT)
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