BERLIN (Dow Jones)--Die Pläne der Bundesregierung zur Einführung einer Bepreisung des Kohlendioxidausstoßes sind bei Experten auf ein gemischtes Echo gestoßen. Laut Pressedienst des Bundestags reichten die Befunde von prinzipieller Zustimmung bei teils deutlicher Kritik im Detail über erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bis hin zur völligen Ablehnung.
Die Bundesregierung hat im September beschlossen, den Treibhausgas-Emissionshandel ab 2021 auf nationale Ebene auszuweiten und damit erstmals auch die Sektoren Wärme und Verkehr einzubeziehen. Das bestehende EU-Emissionshandelssystem gilt lediglich für weite Teile der Energiewirtschaft und Industrie. Mit einer Verteuerung des CO2 Ausstoßes soll einen Anreiz für die Senkung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe gesetzt werden.
Das Brennstoffemissionshandelsgesetz soll am Freitag erstmals im Plenum des Bundestags beraten werden.
Während einer Sitzung des Umweltausschusses des Bundestags sagte Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dass er sich mehr Akribie für das hochkomplexe Verfahren wünsche. Er mahnte eine saubere Abgrenzung zwischen dem bestehenden EU-Emissionshandel und dem deutschen Projekt an, damit es nicht zu einer Doppelbelastung von Unternehmen komme, so der Pressedienst des Bundestags.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sieht in der Grundkonstruktion als auch bei Detailfragen der geplanten CO2-Bepreisung erhebliches Verbesserungspotenzial. "Die Bundesregierung hat mit dem Gesetzentwurf die Gelegenheit verpasst, eine sektorübergreifende CO2-Bepreisung verbunden mit einer grundlegenden Reform der Systems der Abgaben, Umlagen und Steuern im Energiebereich auf den Weg zu bringen", monierte VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche. "Diese wäre aber dringend notwendig gewesen, um eine wirkliche Entlastung bei den Strompreisen zu schaffen. Die von der Bundesregierung beschlossene Reduzierung der EEG-Umlage ist ein Tropfen auf den heißen Stein, der bereits mit der Umlageerhöhung für das kommende Jahr nahezu verdampft ist."
Kritisch sieht auch Brigitte Knopf vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change den geplanten Emissionshandel. Der CO2-Preis werde aufgrund seiner geringen Höhe von anfänglich zehn Euro und später 35 Euro bis zum Jahre 2025 zunächst kaum eine Lenkungswirkung entfalten. Zur Erreichung der Klimaschutzziele sei stattdessen ein Preispfad notwendig, der 2021 bei etwa 50 Euro pro Tonne liegen müsse und bis 2030 auf 120 Euro anwachse. Der niedrige Einstiegs-Preispfad mache das Erreichen der 2030er-Ziele unnötig teuer.
Peter Reitz von der European Energy Exchange sprach hingegen bei der geplanten CO2-Bepreisung von einer grundsätzlich richtigen Entscheidung. Die Implementierung mit einer fünfjährigen Einführungsphase dauere aber zu lange. Unter den Erwartungen des Handlungsdrucks, ein wirksames und effizientes Instrument zur Emissionsreduktion einzuführen, seien zwei Jahre ausreichend. Ein nationales Emissionshandelssystem in den Sektoren Wärme und Verkehr könne nur eine Übergangslösung sein. Die vorgesehene Strompreisentlastung über die EEG-Umlage sei nicht ausreichend, so der Pressedienst des Bundestags.
Die Mineralölwirtschaft kritisierte auf der Anhörung, dass der vorgesehene Aufschlag oder Zuschlag zur heutigen mengenorientierten Energiesteuer nicht ausreiche, um wachsende Anteile erneuerbarer Kraftstoffe, die zur Erreichung der klimapolitischen Ziele notwendig wären, in den Markt zu bringen. Er werbe deshalb für eine flankierende Umstellung der bestehenden Energiesteuern auf Kraftstoffe hin zu einem CO2-Bepreisungssystem.
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November 06, 2019 12:30 ET (17:30 GMT)
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