BERLIN (Dow Jones)--Vor dem nächsten Treffen des Koalitionsausschusses drängt Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) auf eine Einigung bei der Grundrente an diesem Wochenende.
"Wir dürfen das Problem nicht länger vertagen. Die Regierung muss das jetzt hinbekommen", sagte Scholz, der auch Finanzminister ist, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Wer immer Vollzeit zum Mindestlohn gearbeitet hat, ist bislang als Rentner trotzdem auf staatliche Hilfe angewiesen. Das widerspricht jedem Leistungsgedanken."
Die Spitzen von CDU, CSU und SPD wollen sich am Sonntag treffen, um über die Einführung einer Grundrente zu entscheiden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Freitag Zweifel an einer möglichen Einigung geäußert, da die Gespräche schwierig seien.
Auf die Frage, ob eine Fortsetzung der Großen Koalition ohne Grundrenten-Einigung vorstellbar sei, antwortete Scholz: "Eine Regierung ist kein Selbstzweck, sondern sie ist dazu da, das Land zu führen und die drängenden Probleme zu lösen."
Knackpunkt in den Verhandlungen ist die Bedürftigkeitsprüfung bei Rentnern. Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass Rentner, die 35 Jahre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt haben, eine Rente über Grundsicherungsniveau empfangen sollen. Das ist bei vielen Geringverdienern nicht der Fall.
Anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, will die SPD aber auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichten, weil diese unverhältnismäßig sei und nahe Familienmitglieder unter Umständen ihre Vermögensverhältnisse offen legen müssten. Vom SPD-Konzept würden fast drei Millionen Rentner profitieren und auch solche, deren Ehepartner hohe Einkünfte oder der selbst hohe Einkünfte hat.
Die Union hingegen besteht auf die Bedürftigkeitsprüfung und fürchtet, dass die Grundrente anderenfalls Milliarden kosten und auch durch Vermögen gut abgesicherten Rentnern gezahlt werden würde. Nur selbstgenutztes Wohneigentum soll ausgenommen werden. Unklar ist auch noch die Finanzierung des Vorhabens.
In dem Interview äußerte Scholz sich zurückhaltend, was Forderungen aus der Union angeht, in Zusammenhang mit der Grundrente auch steuerliche Entlastungen für Unternehmen auf den Weg zu bringen. Ein solches Koppelgeschäft schloss er laut RND aber auch nicht aus. "Wir reden über Einkommen im Alter", so der SPD-Politiker. Es sei nicht klug, laufende Verhandlungen zu kommentieren. "Am Ende brauchen wir eine gute Lösung im Sinne aller Betroffenen."
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November 08, 2019 12:16 ET (17:16 GMT)
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