Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat für einen Verbleib in der großen Koalition plädiert und an jüngste Erfolge seiner Partei bei sozial- und arbeitsmarktpolitischen Projekten erinnert. In der vergangen Woche habe man in der Koalition über den Strukturwandel und nötige Qualifizierungsmaßnahmen geredet. Auch habe man den Schutz von Paketboten und die Entschädigung für Gewaltopfer erhöht. Zudem sollen Angehörige bei der Pflege finanziell entlastet werden. Dazu käme noch die Einigung der großen Koalition bei der Grundrente.
"Lohnt sich der Einsatz in Regierungsverantwortung oder nicht? Mit Blick auf die letzte Woche würde ich sagen: besser gut regieren als nicht regieren", meinte Heil.
SPD-Linke kritisiert Grundrente-Kompromiss
Zuvor war aus den Reihen der SPD-Linken Kritik an dem Kompromiss zur Grundrente laut geworden. Spitzen aus Union und SPD hatten sich am Sonntag nach monatelagen Streitereien darauf geeinigt, dass rund 1,5 Millionen Menschen ab dem 1. Januar 2021 von der Grundrente profitieren sollen. Rentner, die 35 Jahre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, sollen eine Rente über Grundsicherungsniveau empfangen, was aktuell bei vielen Geringverdienern nicht der Fall ist. Der Sozialtransfer soll nach einem Einkommensabgleich mit der Finanzverwaltung automatisch gezahlt und muss nicht separat beantragt werden. Die Einkommensgrenze soll für Alleinstehende bei 1.250 Euro liegen, für Paare soll sie 1.950 Euro betragen.
"Die Einkommensprüfung ist ein Kompromiss, der weit von dem SPD-Anspruch einer Grundrente ohne Bedarfsprüfung entfernt ist", kritisierte die SPD-Linke Hilde Mattheis Mattheis am Sonntag in der Tageszeitung Die Welt. "Viele Fragen bleiben zudem offen, etwa ob die Einkommensprüfung individuell ist oder wie bei Hartz IV das Einkommen von Ehepaaren betrachtet wird."
Karl Lauterbach (SPD) nannte die Einigung in der Welt eine "Minimallösung". Es sei enttäuschend, dass Frauen, die 35 Jahre bei schlechter Bezahlung gearbeitet hätten, nun womöglich aufgrund der Einkünfte ihres Ehepartners keine eigene Grundrente bekämen. Allerdings milderte er die Kritik am Montag etwas ab. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter schrieb Lauterbach, die Grundrente sei "zwar kein Ausweg aus der drohenden Altersarmut, aber trotzdem eine wichtige Verbesserung" durch die SPD. Auch Gegner der großen Koalition müssten insbesondere dem Arbeitsminister gratulieren. "Alles andere wäre unfair", meinte Lauterbach.
Parteigremien beraten
Die Parteigremien von Union und SPD werden am Montag über den Grundrentenkompromiss und auch die Halbzeitbilanz der großen Koalition beraten. Die CSU hat der Grundrente bereits am Montagmorgen zugestimmt, die CDU und SPD wollen die Öffentlichkeit ab 13.30 Uhr informieren.
Am Dienstag sollen dann die Fraktionen über die Grundrente befinden. Besonders bei der Union könnte es Kritik geben, da sie keine umfassende Bedürftigkeitsprüfung, sondern lediglich eine Einkommensüberprüfung samt Berücksichtigung der Kapitalerträge durchsetzen konnte. Die SPD will Anfang Dezember auf ihrem Parteitag über einen Verbleib in der großen Koalition entscheiden.
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November 11, 2019 05:07 ET (10:07 GMT)
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