Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte nach Aussage von EZB-Direktor Benoit Coeure Nicht-Banken Zugang zur Passivseite ihrer Bilanz geben, um den kurzfristigen Marktzins effektiver zu beeinflussen. Coeure verwies in einer Rede in Frankfurt darauf, dass rund 60 Prozent der Transaktionen, auf denen die Berechnung des neuen Geldmarktzinses ESTR beruht, mit Vermögensverwaltern, Pensionsfonds, Versicherer oder Finanzchefs von Unternehmen abgewickelt werden.
Laut Coeure verbürgt eine hohe Überschussliquidität nicht, dass die kurzfristigen Geldmarktsätze immer auf dem von der Zentralbank gewünschten Niveau sind. Grund: Die Überschussliquidität ist ungleichmäßig über die Euroraum-Länder und dort wiederum über die Sektoren verteilt. Ein großer Teil entfällt auf Nicht-Banken. Sie haben keinen Zugang zur Einlagenfazilität der EZB und geben das Geld den Banken, die eine noch höhere Gebühr fordern, als sie selbst bei der EZB zahlen müssen. Deshalb liegt ESTR niedriger als der Einlagensatz (minus 0,50 Prozent).
"Eine sinkende Nachfrage von Nicht-Banken nach Liquiditätsdienstleistungen, zum Beispiel aufgrund einer höheren Risikoaversion, könnte ESTR steigen lassen, auch wenn das Niveau der Überliquidität unverändert ist", sagte Coeure. Außerdem könne ein Rückgang der Überliquidität zu einem rascheren ESTR-Anstieg führen, auch wenn der Leitzins nicht geändert werde.
Allerdings rechnet Coeure nach eigenen Worten nicht damit, dass einer dieser beiden Faktoren demnächst wirksam wird. Erstens erhöht die EZB ihre Anleihebestände neuerdings wieder um monatlich 20 Milliarden Euro, was auch die Überschussliquidität zunehmen lässt. Laut Coeure mindert die Freistellung eines Teils der Überschussreserven vom Einlagenzins die Überliquidität nicht so stark wie theoretisch möglich, weil die Bereitschaft der Banken zu grenzüberschreitenden Ausleihungen immer noch eingeschränkt ist.
Zweitens sieht Coeure die Zentralbank immer in der Lage, ihre Instrumente zu erweitern. "Zentralbanken haben immer die Möglichkeit, den Zugang zur Passivseite ihrer Bilanz auf andere Finanzintermediäre zu erweitern, was die Kontrolle des Zinses automatisch verbessern würde", sagte er.
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November 12, 2019 08:22 ET (13:22 GMT)
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