Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Risiken für das Wirtschaftswachstum im Euroraum nehmen zu und stellen nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Herausforderung für die Finanzstabilität dar. Wie aus dem aktuellen Finanzstabilitätsbericht der EZB hervorgeht, drohen aus ihrer Sicht nun aber auch die niedrigen Zinsen, die zur Besserung der Wachstums- und Inflationsaussichten eingeführt wurden, zu einem Stabilitätsrisiko zu werden.
Einige Länder sollten antizyklische Kapitalpuffer erhöhen
"Das Niedrigzinsumfeld stützt die Gesamtwirtschaft, aber wir bemerken auch eine höhere Risikoneigung, die ständig und genau beobachtet werden muss", sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos bei der Vorstellung des Berichts in Frankfurt. Laut EZB wäre in einigen Ländern eine Aktivierung oder Erhöhung der antizyklischen Eigenkapitalpuffer angezeigt.
Die EZB hatte zuletzt im September ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, das eine weitere Lockerung der Geldpolitik zur Folge hatte. Seither mehren sich die Aussagen von EZB-Offiziellen, dass die Zentralbank nun verstärkt auf die negativen Nebenwirkungen der niedrigen Zinsen achten werde. Zudem werden die Forderungen an die Mitgliedsländer lauter, eine wachstumsfreundlichere Finanzpolitik zu betreiben.
Durch eine erhöhte Risikoneigung zeichnen sich laut EZB Investmentfonds, Versicherer und Pensionsfonds aus. Diese so genannten Nicht-Banken spielten eine zunehmende Rolle bei der Finanzierung der Realwirtschaft und erhöhten ihr Engagement in den riskanteren Teilen der Unternehmens- und Staatsfinanzierung, konstatierte die EZB.
Geldpolitik maßgeblicher Treiber von Aktien- und Anleihepreisen
Die EZB misst ihrer eigenen Geldpolitik eine maßgebliche Verantwortung für die hohen Aktien- und Anleihekurse zu. "Die gleichzeitige Rally bei riskanten und weniger riskanten Finanzwerten im Jahresverlauf weist auf die eindeutige Rolle hin, die die Geldpolitik bei der Finanzmarktentwicklung gespielt hat", heißt es in dem Bericht unter Verweis auf EZB und US-Notenbank.
Da es nur noch begrenzten Spielraum für Zinssenkungen im Euroraum von der bisher gesehenen Größenordnung gebe, würden Aktien- und Anleihepreise zunehmend anfällig für Verschlechterungen des Konjunkturausblicks oder des Risikoappetits der Investoren.
EZB fürchtet destabilisierende Wirkung von Nicht-Banken
"Im Falle einer plötzlichen Neubepreisung finanzieller Vermögenswerte könnten zunehmende Kredit- und Liquiditätsrisiken in den Nicht-Bank-Sektoren einiger Euro-Länder zusammen mit einer erhöhten Verschuldung von Investmentfonds zu einer Reaktion von Nicht-Banken führen, die zu Stress im gesamten Finanzsystem führen", heißt es in dem Bericht. Bereiche mit erhöhten Risiken finden sich laut EZB auch im Unternehmenssektor und in einigen Immobilienmärkten.
Die EZB weist darauf hin, dass sich die Gewinnaussichten der Banken des Euroraums nicht verbessert hätten, obwohl mit einem stetigen, wenn auch langsamen Anstieg der Nettozinseinnahmen sowie Gebühren- und Kommissionseinnahmen gerechnet werde.
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November 20, 2019 04:00 ET (09:00 GMT)
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