Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat es bei den Beratungen am 24. Oktober nach den offenen Auseinandersetzungen über die geldpolitischen Beschlüsse von September einen Aufruf zu mehr Einigkeit gegeben. Wie aus dem jetzt veröffentlichten Protokoll der Beratungen hervorgeht, wurde aber auch ein stärkeres Bekenntnis zur Verfolgung des Inflationsziels gefordert und die Legitimität offener Diskussionen betont. Wörtlich heißt es darin: "Es gab die entschiedene Forderung nach Einigkeit im Rat. Einerseits wurde betont, dass offene und freimütige Diskussionen im Rat absolut notwendig und legitim seien, andererseits wurde die Bedeutung konsensualer Entscheidungen und die Notwendigkeit betont, geschlossen hinter dem Bekenntnis des Rats zur Verfolgung seines Inflationsziels zu stehen."
Die Uneinigkeit im EZB-Rat über die am 12. September verabschiedeten Maßnahmen und die anschließenden Missfallensbekundungen einzelner Ratsmitglieder hatten Zweifel an der Handlungsfähigkeit der EZB geweckt. EZB-Präsident Draghi hatte nach der Ratssitzung im Oktober versucht, dieses Problem herunterzuspielen. Er sagte, entsprechende Äußerungen Jens Weidmanns und Klaas Knots betrachte er "als Teil einer fortgesetzten Diskussion". Zudem sei die Diskussion in der aktuellen Sitzung in Bezug auf die Vorschläge von Chefvolkswirt Philip Lane "unterstützend" gewesen. Es sei die Notwendigkeit betont worden, Einigkeit zu demonstrieren.
Der Rat hatte die im September gefassten Beschlüsse bestätigt - nämlich ab November die Anleihebestände unbefristet monatlich um 20 Milliarden Euro zu erhöhen und die langfristigen Refinanzierungsgeschäfte der dritten Serie (TLTRO3) mit großzügigeren Konditionen auszustatten. Zudem hatte der Rat den Bankeinlagensatz um 10 Basispunkte auf minus 0,50 Prozent gesenkt, dafür aber einen beträchtlichen Teil der Überschussreserven von diesem Zins freigestellt. Die EZB will ihre Zinsen so lange auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau halten, bis der mittelfristige Inflationsausblick dicht genug an knapp 2 Prozent liegt.
Der EZB-Rat sah seine September-Beschlüsse laut dem Oktober-Protokoll durch die seither zu beobachtenden Konjunktureintrübung bestätigt und plädierte für ihre volle Umsetzung. Verwiesen wurde auf die anhaltende Schwäche der Industrieproduktion und des Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes. Zudem befürchtet der Rat, dass sich ein eigentlich zu erwartender inflationsstützender statistischer Effekt von Seiten der Pauschalreisepreise wegen der schwächeren Konjunktur nicht so bald zeigen werde.
Der Rat betonte seine Handlungsbereitschaft für den Fall, dass es zu einer weiteren Verschlechterung des Ausblicks kommen sollte. "Der Rat muss bereit sein, alle Instrumente einzusetzen, falls der Inflationsausblick das erforderlich macht", heißt es in dem Dokument. Allerdings wurde auch die Forderung laut, die Nebenwirkungen der Geldpolitik ausreichend zu beachten. Auch müsse man den im September beschlossenen Maßnahmen ausreichend Zeit geben, ihre Wirkung zu entfalten, was für eine zunächst abwartende Haltung spreche.
Die Ratssitzung am 24. Oktober war die letzte unter der Leitung des inzwischen ausgeschiedenen EZB-Präsidenten Draghi. Über die geldpolitischen Neigungen der neuen Präsidentin Christine Lagarde ist noch nicht viel bekannt. Sie wird ihre erste geldpolitische Rede am morgigen Freitag beim European Banking Congress in Frankfurt halten.
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November 21, 2019 07:30 ET (12:30 GMT)
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