Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die SPD-Bundestagsfraktion fordert eine Industriepolitik, die unter anderem auch eine stärkere Rolle des Staates in bestimmten Bereichen vorsieht. Bei ihrer Sitzung am Montagabend will die Fraktion dazu ein 15-seitiges Grundsatzpapier beschließen. Gefordert wird darin unter anderem, "es zu ermöglichen, den Ausverkauf wichtiger Technologien zu verhindern". "Dazu muss eine zeitlich befristete Beteiligung des Staates an Unternehmen wichtiger Schlüsselindustrien über einen Staatsfonds ermöglicht werden", heißt es in dem Papier mit dem Titel "Sozialdemokratische Industriepolitik: Wachstum für gute Arbeit fördern", in das Dow Jones Newswires Einblick hatte.
Die Abgeordneten sprechen sich auch dafür aus, die Regeln der Welthandelsorganisation WTO zu reformieren, insbesondere in Bezug auf Anti-Dumping- und Anti-Subventionsinstrumente, und ein Industrieabkommen von EU und USA auszuhandeln, das Agrargüter ausklammert. Insgesamt fordern sie, "bestmögliche Rahmenbedingungen" zu schaffen. Nötig seien neben gut ausgebildeten Fachkräften und einer modernen Infrastruktur unter anderem auch eine "verlässliche Investitionspolitik" in allen Bereichen, eine angemessene Steuer- und Abgabenquote und eine aktive Handelspolitik.
"Die Herausforderungen durch den Klimawandel, durch Globalisierung und Digitalisierung, durch den chinesischen Staatskapitalismus auf der einen und den Marktradikalismus der USA auf der anderen Seite sind offensichtlich", heißt es in dem Papier. Die Sozialdemokraten fordern darin zudem, die Erforschung, Entwicklung und Markteinführung neuer Technologien voranzutreiben. Der Staat sei dabei "nicht der bessere Unternehmer", könne jedoch technologische Entwicklungen frühzeitig antizipieren und gezielt in die Grundlagenforschung und die Anwendungsforschung investieren.
Neue Maßstäbe für Fusionsprüfungen
Zu den Rahmenbedingungen gehört nach Überzeugung der Sozialdemokraten auch eine Debatte zwischen Politik und Wirtschaft über das deutsche und europäische Wettbewerbs- und Vergaberecht. Sie fordern, "die Prüfungsmaßstäbe bei Unternehmenszusammenschlüssen auf internationale Märkte auszurichten, wo eine bestimmte Größe und Technologieführerschaft wichtig sein kann" - als Beispiel wird die Fusion von Siemens und Alstom genannt. Um auf globaler Ebene dem Verhalten marktmächtiger Unternehmen besser gerecht werden zu können, soll zudem eine unabhängige internationale Kartellaufsicht geschaffen werden.
Zu den weiteren Punkten des Forderungskatalogs zählen eine "vertrauenswürdige und leistungsfähige digitale Infrastruktur", mehr Mittel für Bildung, Forschung und Entwicklung sowie Startups, eine "industrie- und klimafreundliche" Umsetzung der Energiewende und eine Gesamtstrategie für die "Zukunft einer leistungsfähigen und ökologischen deutschen Automobilindustrie als Schlüsselindustrie, Innovationsmotor und Arbeitsplatzgarant".
Altmaier legt Strategie am Freitag vor
Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums zeigte sich erfreut darüber, dass die SPD eine Strategie vorlege. "Wir freuen uns über breite Resonanz über das Thema Industriestrategie und Industriepolitik", sagte Ministeriumssprecherin Beate Baron. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) werde am Freitag seine "finalisierte Industriestrategie" vorstellen.
Aus der CDU-nahen Wirtschaft kam aber harsche Kritik an den Plänen der SPD. Der Wirtschaftsrat der CDU sah darin "rückwärtsgewandte" Beschlüsse. "Nicht der Staat kann alles richten, sondern Technologien, Innovationen und Unternehmen müssen sich im Markt bewähren und durchsetzen", mahnte der Generalsekretär des Unternehmerverbandes, Wolfgang Steiger. Gerade jetzt bräuchte die Bundesregierung eine industriepolitische Gesamtstrategie, welche Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit des Industrielandes Deutschlands wieder in den Mittelpunkt rücke.
Der Staat solle "nicht Technologieentwicklungen antizipieren oder gar vorschreiben, sondern er ist verantwortlich dafür, den marktwirtschaftlichen Rahmen zu setzen, damit sich die besten Technologien kosteneffizient im Wettbewerb durchsetzen können". Zudem müsse der Erhalt des bewährten deutschen und europäischen Wettbewerbsrechts aus Sicht des Wirtschaftsrates auch in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung ein Grundpfeiler verlässlicher Rahmenbedingungen bleiben.
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November 25, 2019 06:29 ET (11:29 GMT)
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