Von Petra Sorge
BERLIN (Dow Jones)--Der Druck auf die Bundesregierung für eine Einigung beim Kohleausstieg steigt. Mehrere Umweltverbände fordern die Verabschiedung des Kohleausstiegsgesetzes ohne die strengen Abstandsregeln zur Windkraft noch in der kommenden Woche. Bei der nächsten Sitzung des Bundeskabinetts am kommenden Dienstag, den 3. Dezember, müsse endlich ein Kabinettsentwurf vorliegen, forderte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert, anlässlich einer Pressekonferenz in Berlin.
Gleichzeitig forderte der Klima-Leiter des World Wide Fund For Nature (WWF), Michael Schäfer, die Bundesregierung auf, die im Entwurf ebenso enthaltenen Klauseln zur Windenergie "komplett vom Tisch zu nehmen", da diese die Klimaziele konterkarierten. "Eine Vertagung auf nach dem SPD-Parteitag ist der falsche Weg."
Schäfer bezeichnete das Kohleausstiegsgesetz als "Anti-Windkraft-Gesetz", mit dem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zugleich die "Axt an die Grundlagen des Klimaschutzes" lege. "Es kann nicht sein, dass während die Bundesrepublik die Fassade irgendwie hübsch macht, man gleichzeitig die tragende Wand für Klimaschutz einreißt", so der WWF-Experte.
Der Entwurf sieht einen einheitlichen bundesweiten Mindestabstand von 1.000 Metern zwischen Windrädern und Wohngebiet vor, wie ihn das Klimakabinett und somit auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) mitgetragen hatte. Umstritten ist nun noch eine Bestimmung, die Altmaier eingefügt hatte, um damit Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen.
Demnach sollen bereits Grundstücke ab fünf Wohngebäuden als Wohngebiet definiert werden, selbst wenn diese noch nicht errichtet sind. Schulze lehnt diese Klausel ab, sie fürchtet eine zu starke Einschränkung der für Windenergie verfügbaren Flächen. Beide Ressorts verhandeln seit Tagen intensiv. Während das Wirtschaftsministerium den Entwurf schnellstmöglich ins Kabinett einbringen möchte, war man im Umweltministerium zuletzt noch skeptisch, ob das Datum 3. Dezember angesichts des Streits zu halten ist.
Aus Sicht der Umweltverbände ist das Akzeptanzargument jedoch "vorgeschoben", wie DNR-Präsident Niebert sagte. Er verwies auf eine Umfrage der Fachagentur Windenergie an Land, wonach 82 Prozent der Befragten den Ausbau der Technologie als wichtig oder sehr wichtig bezeichnet hatten. Es gebe kein Akzeptanzproblem in der Bevölkerung, sondern "im Bundestag und in den Bundesministerien".
Dennoch sei es wichtig, den Kohleausstieg nun schnell umzusetzen. Es müsse, wie von der Kohlekommission empfohlen, "sofort" mit den Abschaltungen von Kraftwerken begonnen werden. Der Entwurf des Wirtschaftsministeriums sieht vor, die elektrische Nennleistung bis zum Ende des Kalenderjahres 2022 auf 15 Gigawatt zu verringern. 2038 soll die Kohleverstromung dann komplett enden.
Niebert warnte davor, die ersten Kraftwerke erst 2022 abzuschalten. Bis zu diesem Jahr sollen auch 20 Gigawatt Atomstrom vom Netz gehen. "Wie sollen das denn die Netze verkraften?", fragte Niebert. Deshalb brauche es schnell einen Kohleausstieg bei gleichzeitigem Zubau von Ökostromquellen. Die Bundesregierung hat das Ziel, den Anteil an erneuerbaren Energien bis 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen.
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November 27, 2019 06:10 ET (11:10 GMT)
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