APA ots news: Wachsende Herausforderungen für die Finanzmarktstabilität aufgrund des Niedrigzinsumfeldes
Präsentation des 38. Financial Stability Report der OeNB
Wien (APA-ots) - Die geldpolitischen Maßnahmen der EZB haben in den
letzten Jahren einerseits die Kreditvergabe an Unternehmen und
private Haushalte gefördert und damit der konjunkturellen Entwicklung
im Euroraum und in Österreich wesentliche Impulse verliehen.
Andererseits haben Investoren aufgrund des niedrigen Zinsniveaus ihr
Risikoexposure erhöht, was etwa in rückläufigen Kreditrisiko- und
Laufzeitprämien zum Ausdruck kommt. Trotz des Drucks auf die
Zinsmarge stützte die dynamische Kreditvergabe die Gewinne der
österreichischen Banken im ersten Halbjahr 2019. Nachhaltige
Vergabestandards, insbesondere bei Immobilienkrediten, sind von hoher
Bedeutung für die Finanzmarktstabilität und bleiben weiterhin im
aufsichtlichen Fokus.
Die geldpolitischen Maßnahmen der EZB haben die Refinanzierungskosten
der Banken im Euroraum deutlich verringert und die Kreditvergabe an
Unternehmen und private Haushalte gefördert. Gleichzeitig haben die
Investoren aufgrund des niedrigen Zinsniveaus ihr Risikoexposure
erhöht. Rückläufige Kreditrisiko- und Laufzeitprämien bergen die
Gefahr einer verzerrten Bepreisung von Risiken. Auch für die Banken
ist das niedrige Zinsniveau weiterhin eine Herausforderung, obwohl
die Entscheidung des Eurosystems, einen Freibetrag auf die
Negativverzinsung der Überschussliquidität einzuführen, die Kosten
für den österreichischen Bankensektor für den betroffenen Zeitraum
des heurigen Jahres um rund 30 Mio EUR senkt.
Die Außenfinanzierung der österreichischen nichtfinanziellen
Unternehmen erreichte im ersten Halbjahr 2019 den höchsten Wert seit
Ausbruch der globalen Finanzkrise. Der weitaus größte Teil davon
erfolgte angesichts des niedrigen Zinsniveaus in Form von
Fremdkapital. Zum einen nahm die Mittelaufnahme in Form von Anleihen
deutlich zu, zum anderen stieg die Kreditaufnahme bei
österreichischen Banken nach wie vor stark an. Die jährliche
Wachstumsrate der Unternehmenskredite österreichischer Banken belief
sich im September 2019 auf 7,1 % und war weiterhin in hohem Ausmaß
von der Kreditvergabe an Unternehmen aus dem Immobilienbereich
getragen. Der Anstieg der Verschuldung von Unternehmen übertraf im
ersten Halbjahr die Zunahme der Gewinne, was die
Schuldentragfähigkeit der Unternehmen leicht verschlechterte.
Bei den privaten Haushalten war die stärkere Dynamik der Verschuldung
gegenüber den Einkommen weniger ausgeprägt. Weiterhin waren
Wohnbaufinanzierungen der Haupttreiber der Kredite an Haushalte. Der
Rückgang des hohen Anteils an variabel verzinsten Krediten, der in
den letzten Jahren zu beobachten gewesen war, hat sich heuer nicht
weiter fortgesetzt. Während Kreditnehmer bei variabel verzinsten
Krediten zurzeit von niedrigen Zinszahlungen profitieren, setzen sie
sich einem erheblichen Zinsänderungsrisiko aus. Der
Fremdwährungsanteil an den Haushaltskrediten ging weiter zurück, aber
die verbliebenen Kredite bergen für die einzelnen Kreditnehmer
weiterhin ein Währungsrisiko.
Im Jahr 2019 überstieg die Bilanzsumme der österreichischen Banken
wieder die Billionen-Euro-Grenze. Der Bankensektor erwirtschaftete
einen Halbjahresgewinn in der Höhe von 3,5 Mrd EUR. Dieser fiel
leicht geringer als im Vorjahreszeitraum aus, da u. a. trotz
Konsolidierungsfortschritten und einer sinkenden Anzahl von Banken
die Kosten-Ertrags-Relation nach wie vor hoch ist und
Wertberichtigungen gebildet wurden. Die österreichischen
Tochter-banken in Zentral-, Ost- und Südosteuropa (CESEE) bleiben
weiterhin überdurchschnittlich profitabel, verbuchten jedoch
ebenfalls einen Gewinnrückgang. Sowohl ihre Geschäftstätigkeit als
auch ihre Gewinne bleiben stark auf einige wenige Märkte in der EU
und Russland konzentriert. Positiv ist, dass das starke
Kreditwachstum im In- und Ausland mit einer Erhöhung der
Kapitalisierung einherging.
Die Wohnimmobilienpreise in Österreich stiegen im bisherigen
Jahresverlauf erneut an. Im dritten Quartal 2019 lagen sie 5 % über
dem Wert des Vorjahres, womit der OeNB-Fundamentalpreisindikator für
Österreich eine Überbewertung von 14 % ausweist. Im September 2019
hat das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) deshalb die Einhaltung
seiner quantitativen Leitlinie zu nachhaltigen Kreditvergabestandards
durch die Banken evaluiert. Dabei zeigte sich, dass bei der
Neukreditvergabe zwar der Anteil an hohen Beleihungsquoten und
Laufzeiten sank, gleichzeitig jedoch der Anteil von Neukrediten mit
hohem Schuldendienst erhöht blieb. Da die starke Dynamik auf dem
österreichischen Immobilienmarkt eine selbstverstärkende
Kredit-Preis-Spirale anfachen könnte, wird das FMSG das systemische
Risiko aus der Wohnimmobilienfinanzierung weiter genau beobachten und
die Bankenaufsicht verstärkt nachhaltige Kreditvergabestandards
einfordern. In Anbetracht ihres Finanzmarktstabilitätsmandats wird
die OeNB sorgfältig analysieren, ob die Voraussetzungen für eine
Aktivierung von makroprudenziellen Maßnahmen erfüllt sind und ob eine
entsprechende Empfehlung an das FMSG notwendig erscheint.
Der Geschäftsausblick der Banken ergibt derzeit ein gemischtes Bild:
Einerseits unterstützt die akkommodierende Geldpolitik sowohl die
Kreditnachfrage als auch die Zahlungsfähigkeit von Schuldnern, was
dazu führte, dass der Anteil notleidender Kredite mittlerweile
historisch niedrig ist. Andererseits führten anhaltende
Handelsspannungen und geopolitische Unsicherheiten zu einer
Wachstumsverlangsamung im Euroraum. Die konjunkturelle Eintrübung und
Bedenken bezüglich eines Aufbaus von Preisblasen in gewissen
Marktsegmenten verlangen erhöhte aufsichtliche Wachsamkeit. Im Lichte
der genannten Entwicklungen sollten die Banken sicherstellen, dass
sie genug Handlungsspielraum für einen potenziellen Abschwung haben.
Die OeNB empfiehlt im Hinblick auf die Stärkung der
Finanzmarktstabilität daher
die Anwendung nachhaltiger Kreditvergabestandards (insbesondere bei
Immobilien-krediten) sowohl in Österreich als auch in CESEE, und die
Einhaltung der Leitlinie des Finanzmarktstabilitätsgremiums,
die Verbesserung der Kosten-Ertrag-Relation der Banken, um eine
nachhaltige Profitabilität auch während eines potenziellen Abschwungs
abzusichern,
die nachhaltige Sicherstellung eines adäquaten Kapitalniveaus,
insbesondere durch eine entsprechende Balance zwischen
Dividendenausschüttung und interner Kapitalgenerierung, um
potenzielle Risiken aus dem starken Kreditwachstum (insbesondere in
CESEE) tragen zu können, sowie
die Entwicklung und Umsetzung geeigneter Strategien zum Umgang mit
Herausforderungen im Zusammenhang mit neuen Informationstechnologien
(z. B. neue Geschäftsmodelle und Cybersicherheit).
Der halbjährlich in englischer Sprache erscheinende Financial
Stability Report der OeNB analysiert finanzmarktstabilitätsrelevante
Entwicklungen in Österreich und im internationalen Umfeld sowie
Spezialthemen im Zusammenhang mit der Finanzmarktstabilität.
Weitere Informationen dazu finden Sie unter:
http://www.oenb.at/Publikationen/Finanzmarkt/Finanzmarktstabilitaets b
ericht.html
Rückfragehinweis:
Oesterreichische Nationalbank
Dr. Christian Gutlederer
Pressesprecher
(+43-1) 404 20-6900
christian.gutlederer@oenb.at
www.oenb.at
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/156/aom
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AXC0119 2019-12-02/11:08