Von Hans Bentzien
FRANKFURT/BRÜSSEL (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach den Worten ihrer Präsidentin Christine Lagarde die geldpolitische Strategie mit dem Ziel prüfen, ihr Mandat bestmöglich zu erfüllen und für eine feste Verankerung der Erwartungen zu sorgen. "Das makroökonomische Umfeld wurde von der Großen Finanzkrise geprägt, von der Staatsschuldenkrise und jüngst von einer niedrigen Inflation", sagte Lagarde laut Redetext zu Beginn ihrer Anhörung vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments (EP) in Brüssel. Sie wies darauf hin, dass außerdem neue Herausforderungen, wie die demografische Entwicklung, disruptive Technologien und Klimawandel aufgetaucht seien.
"Das bedeutet für uns, dass wir unsere Strategie prüfen und überlegen müssen, wie unsere Geldpolitik am besten ihr Mandat erfüllen kann", sagte Lagarde und fügte hinzu: "Die gesamte Zentralbank-Community sieht sich gegenwärtig der Frage gegenüber, wie sie am besten das mittelfristige Ziel ihrer Geldpolitik definieren sollte, um sicherzustellen, dass die Erwartungen fest verankert sind." Das könne besonders in Situationen wie der gegenwärtigen nützlich sein, in denen der politische Spielraum zur Abschirmung der Wirtschaft von negativen Entwicklungen begrenzter sei als vor der Krise.
Viele deutsche Volkswirte hoffen, dass die EZB ihre geldpolitische Strategie in einer Weise ändern wird, die es ihr ermöglichen würde, auf eine weitere konjunkturelle Eintrübung nicht mit einer weiteren geldpolitischen Lockerung zu reagieren. Vorgeschlagen wird, das Inflationsziel langfristiger zu setzen oder um ein Finanzstabilitätsziel ergänzen
Die marktbasierten Inflationserwartungen liegen derzeit näher bei 1 als bei 2 Prozent. Lagarde erwähnte in ihrer vorbereiteten Rede weder ein Inflationsziel noch den aktuellen Zielwert von "unter, aber nahe 2 Prozent", den die EZB schon seit längerer Zeit nicht erreicht. Sie versicherte aber, dass die EZB ihre akkommodierende Geldpolitik wie in der Forward Guidance formuliert fortführen und auf künftige Risiken im Rahmen ihres Mandats reagieren werde. Auch beobachte sie die Nebenwirkungen ihrer Geldpolitik fortlaufend.
Lagarde sagte: "Wir alle versuchen, ein besseres Verständnis davon zu gewinnen, wie die oben erwähnten Faktoren jene Variablen beeinflussen, die wir regelmäßig beobachten und, bis zum gewissen Grade, kontrollieren", sagte die EZB-Chefin. Lagarde kündigte an, dass die Strategieprüfung auf zwei Prinzipien beruhen werden: Einer gründlichen Analyse und einer auf Unvoreingenommenheit. "Das braucht Zeit zur Reflexion und für breite Konsultationen." Laut Lagarde hat die Strategiediskussion im Rat noch nicht begonnen, sie wird aber Konsultationen mit dem EP im Allgemeinen und den Wirtschafts- und Währungsausschuss im Besonderen einschließen.
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December 02, 2019 09:44 ET (14:44 GMT)
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