
Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Anders als weithin angenommen ist nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) in den vergangenen Jahren die Vermögensungleichheit in Deutschland nicht gestiegen. IW-Direktor Michael Hüther sagte im Deutschlandfunk, dass Fakten der Illusion über die gestiegene Ungleichheit widersprächen. "Es ist gar nicht so, wie alle glauben", sagte Hüther. "Wir haben eine Situation, in der in einer unter Wettbewerbsdruck stehenden Volkswirtschaft, die offen ist, es gelungen ist, viel mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Und über diese Entwicklung ist es natürlich auch zu einer Stabilisierung sowohl der Einkommensverteilung wie auch der Vermögensverteilung gekommen."
In der am Dienstag veröffentlichten IW-Analyse der Entwicklung der Nettovermögensverteilung auf Basis unterschiedlicher Mikrodatensätze heißt es, dass das Niveau der Vermögensungleichheit seit Beginn der 2000er Jahre nahezu konstant sei und in den letzten Jahren eher sinke als steige. Es gebe "keinerlei empirische Evidenz in den verfügbaren Vermögensdaten für eine in den letzten Jahren gestiegene Vermögensungleichheit".
Zwar sei die Vermögensverteilung auch beeinflusst durch das, was beispielsweise in der Finanzkrise passiert ist. "Da gibt es aber keine großen Sprünge in die eine oder andere Richtung", sagte Hüther. "Wenn die Menschen glauben, es gibt eine permanente Verschlechterung, so ist das wenig begründet."
In der Studie bezieht sich das IW auf unterschiedliche Datenquellen. Darin wird das Vermögen betrachtet, das sowohl aus Finanzvermögen wie etwa Bargeld, Bankguthaben, das Vertragsguthaben von Versicherungen und Aktien besteht als auch aus Sachvermögen wie Häuser, Fahrzeuge und Grundstücke. Dieser Gesamtwert des Bruttovermögens eines Haushalts wird den Verbindlichkeiten wie etwa Krediten gegenüber gestellt. Die Verteilung dieses Nettovermögens stellt das IW mit einem Gini-Koeffizient dar.
Nach diesem Gini-Koeffizienten schwanke die Nettovermögensungleichheit seit dem Jahr 2010 zwischen 0,74 und 0,76 Gini-Punkten und sei zuletzt eher rückläufig gewesen. Auch der Anteil der vermögendsten 10 Prozent am gesamten Nettovermögen deute mit 59 Prozent im Jahr 2010 und 55 Prozent im Jahr 2017 - wenn überhaupt - auf eine Verringerung der Vermögenskonzentration im aktuellsten Befragungsjahr, erklärte das IW.
Dennoch seien im Vergleich zur Verteilung der verfügbaren Haushaltseinkommen die Nettovermögen aber "weiterhin deutlich stärker" konzentriert. Neben dem Einfluss staatlicher Absicherung gehe die höhere Vermögenskonzentration unter anderem darauf zurück, dass das Vermögen erst langsam im Lebensverlauf aufgebaut wird und somit stärker vom Alter abhängig ist als das Einkommen, schrieb das IW.
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December 17, 2019 04:08 ET (09:08 GMT)
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