Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Forderungen nach einem Verzicht auf die zum Januar kommende Bonpflicht im Einzelhandel zurückgewiesen und damit ein Ansinnen ihres eigenen Wirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU) verworfen. Altmaier hatte in einem Brief an Finanzminister Olaf Scholz (SPD) einen Verzicht auf die Regelung gefordert und dafür auch Umweltschutzgründe angeführt. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider nannte dies eine "PR-Aktion" und kritisierte Altmaier scharf.
Merkel sagte bei der Regierungsbefragung im Bundestag auf die Frage, wann die Bonpflicht abgeschafft werde: "Ich fürchte gar nicht." Das Gesetz sei vor drei Jahren "aufgrund von relativ unbestrittenen Umgehungstatbeständen" bei der Mehrwertsteuer verabschiedet worden. Zwar sei zu überlegen, ob man im Zeitalter der Digitalisierung wirklich Thermopapier bedrucken müsse, und es würden auch Ausnahmemöglichkeiten erwogen. "Wir können nicht sehenden Auges einfach akzeptieren, dass dem Staat Milliarden Steuereinnahmen verloren gehen", mahnte Merkel aber.
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider warf Altmaier unterdessen ein "fast schon demokratieschädliches" Verhalten vor, indem er den bereits 2006 auf Vorschlag des damaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) getroffenen Beschluss kurz vor dessen Inkrafttreten ändern wolle. "Das, was der Wirtschaftsminister da macht, ist eine absolut unseriöse PR-Aktion", sagte er zu Journalisten. Altmaier selbst sei zum Zeitpunkt des Beschlusses Kanzleramtsminister gewesen, erinnerte er.
Schneider betonte, es gehe um die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen von rund 10 Milliarden Euro in dem Bereich. "Die Belegausgabepflicht ist eines der Instrumente, um einer Kassenmanipulation vorzubeugen", sagte er. Dies gehe auch digital, solange das aber nicht gewährleistet sei, sei die Ausgabe des Belegs ein zentrales Element, um diese 10 Milliarden Euro "weiß zu machen". Altmaiers Aktion sei "fast schon demokratieschädlich, weil sie nämlich demokratisch organisierte Prozesse, an denen er selbst beteiligt war, in Misskredit bringt".
Das Finanzministerium hatte zuvor bereits einen Verzicht auf die Einführung der Bonpflicht Anfang Januar abgelehnt. Ein Ministeriumssprecher hatte erklärt, es gebe keine Pflicht, den Beleg auszudrucken - man könne ihn auch in elektronischer Form zur Verfügung stellen. Altmaiers Ministerium hatte allerdings betont, erst im Anwendungserlass vom Sommer 2019 sei klar geworden, dass auch Kleinstgeschäfte mit Kleinstbeträgen wie Brötchen von der Bonpflicht betroffen seien. Der deutsche Einzelhandel hatte die Bonpflicht einen "doppelten Wahnsinn" genannt. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hatte die Belegpflicht moniert.
(Mitarbeit: Andrea Thomas)
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December 18, 2019 09:18 ET (14:18 GMT)
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