Von Denise Roland
ZURICH (Dow Jones)--Der Pharmakonzern Novartis bringt für sein über Zwei-Millionen-Dollar teures Gentherapeutikum Zolgensma ein weltweites Härtefallprogramm auf den Weg. Das soll dann auch Länder außerhalb der USA umfassen, in denen Zolgensma noch nicht zugelassen ist. Zurzeit ist die Einmalinjektion Zolgensma nur in den Vereinigten Staaten und erst seit dem vergangenen Frühling für Kinder unter zwei Jahren zur Behandlung der spinalen Muskelatrophie (SMA) zugelassen. Vertrieben wird das Mittel von der Novartis-Tochter Avexis. SMA führt in der schwersten Form (Typ1) innerhalb der ersten Lebensjahre zum Tod.
Nach Angaben von Novartis zielt das so genannte globale "Managed-Access-Programm" darauf ab, Zolgensma einer begrenzten Anzahl von Patienten zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen des Programms könnten Ärzte Anträge für die Behandlung einreichen, wobei die berechtigten Patienten alle zwei Wochen nach dem Zufallsprinzip ausgesucht werden und kostenlose Dosen erhalten. Avexis erklärte, man werde etwa 100 kostenlose Dosen verteilen. Weil aber wahrscheinlich die Zahl der Anträge bei dem Programm deutlich höher sein wird als die verfügbaren Dosen, alleine in Europa sollen rund 1.600 Kinder an SMA des Typs 1 leiden, gerät das Programm von Novartis bei Patientenvertretern in die Kritik. Unter anderem verweisen sie auf die heikle ethische Frage, mit der Konzerne konfrontiert sind, wenn sie nicht-zugelassene Medikamente verteilen. Aber auch an der Gestaltung des Managed-Access-Programms wird Kritik laut.
"Das ist wirklich geschmacklos", sagte Kacper Rucinski, Mitbegründer der britischen Patientenvertretung TreatSMA. "Das führt dazu, dass die Patienten in Konkurrenz gegeneinander treten. Denn wer wird der Glückliche sein?", so Rucinski. Das sei nicht hilfreich. Olga Germanenko, Vorstandsmitglied bei der Dachorganisation europäscher Patientenvertretungen SMA Europe, sagte, das Programm lasse Zolgensma "wie einen Gewinnspiel-Preis aussehen". Nach Aussage von Rucinski würden die Patienten stattdessen ein Programm begrüßen, welches den Patienten oder Ländern mit den höchsten Bedürfnissen Priorität einräume.
An einigen Orten können Patienten bereits ein konkurrierendes SMA-Medikament namens Spinraza von Biogen bekommen. Dieses muss aber dauerhaft gegeben werden. Das Managed-Access-Programm von Novartis lege keinen Schwerpunkt auf Länder, in denen Spinraza nicht routinemäßig zur Verfügung stehe, oder auf Patienten, die nicht auf Spinraza ansprechen würden, so die Kritiker weiter. Ein Sprecher von Novartis sagte, man habe sich von einer Gruppe von Bioethikern beraten lassen und sich so für das Programm entschieden. Das Problem sei, dass man mit einem komplizierter Kriterienkatalog einige Patienten unfairerweise diskriminieren könnte. "Letztendlich haben wir es mit einem schwierigen ethischen Dilemma zu tun", sagte er. "Leider gibt es keine perfekte Lösung."
Novartis erklärte, der Konzern könne nicht jeden berechtigten Patienten mit Zolgensma versorgen, da das Angebot begrenzt sei. Das Medikament wird derzeit nur in einem Werk in den USA produziert, wobei die Schweizer hoffen, innerhalb des nächsten Jahres zwei weitere Produktionsstätten eröffnen zu können. Zolgensma ist eine der ersten einer Reihe von neuen Therapien, die als Gentherapien bekannt sind und die versprechen, bestimmte Erbkrankheiten mit einer einzigen Behandlung zu heilen, indem sie eine funktionierende Kopie des fehlerhaften Gens zur Verfügung stellen.
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December 19, 2019 12:43 ET (17:43 GMT)
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