SPD und Kommunalverbände haben eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen für eine faire und wirksame Altschuldenregelung gefordert. Aus dem Landkreistag kamen allerdings massive Bedenken. "Ich habe wenig Verständnis dafür, wenn sich der Bund mit der Frage kommunaler Altschulden und damit einem Problem weniger Städte in wenigen Bundesländern befasst", sagte der Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke der "Welt". Das Problem müsse von den betroffenen Ländern selbst gelöst werden.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte vorgeschlagen, dass der Bund einen erheblichen Teil der kommunalen Kassenkredite in die Bundesschuld übernimmt. Er fordert aber auch einen Beitrag der Länder. Städtetagspräsident Burkhard Jung sagte der dpa, Bund und Länder müssten sich im neuen Jahr rasch einigen. "2020 kann ein Befreiungsschlag für mehr als 2000 Städte und Gemeinden gelingen."
Noch sei die 42 Milliarden Euro große Hypothek der Kommunen zu stemmen. "Doch das Zeitfenster mit niedrigen Zinsen kann sich schließen", sagte der Leipziger Oberbürgermeister. Jung betonte, die besonders betroffenen Länder Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland müssten ihren Teil leisten. Ansätze dafür gebe es, es sei aber noch immer nicht klar, wie viel Geld etwa NRW beisteuern wolle.
In NRW gibt es den Angaben zufolge besonders viele klamme Gemeinden. Henneke hielt daher dem Land vor, den Kommunen lange Zeit zu wenig Finanzmittel gegeben zu haben. "Dieses Versäumnis sollte nicht der Bund als Retter in der Not bereinigen", sagte er. "Der Uckermark, der Rhön, der Lüneburger Heide, der Prignitz oder dem Bayerischen Wald hilft es rein gar nichts, wenn mit Milliarden an Steuermitteln Altlasten in Oberhausen, Essen oder Gelsenkirchen abgetragen werden." Der Bund solle sein Geld besser für zukunftsorientierte Maßnahmen im Rahmen gleichwertiger Lebensverhältnisse im ganzen Land einsetzen.
FDP-Fraktionsvize Christian Dürr warnte: "Wer sich anstrengt, darf nicht der Dumme sein." Kommunen und Länder, "die sich bemüht haben, alte Schulden abzubauen, wären die Gekniffenen, wenn jetzt der Bund die kommunalen Altschulden übernimmt". Der langjährige NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) trage "wesentliche Verantwortung für die katastrophalen Finanzen der Kommunen an Rhein und Ruhr. Auf keinen Fall darf es soweit kommen, dass Olaf Scholz das jetzt mit Milliarden an Steuerzahlergeld kittet."
SPD-Fraktionsvize Achim Post forderte eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen für eine faire Altschuldenregelung. Post sagte der dpa, bei allem Verständnis für nicht betroffene Länder und Vorbehalte auf Bundesebene "erwarte ich von allen Beteiligten die Bereitschaft, sich erst einmal offen und konstruktiv über Vorschläge und Modelle für eine Altschuldenregelung auszutauschen".
FDP-Chef Christian Lindner warf dem Bund generell vor, die Kommunen zu stark mit Sozialausgaben zu belasten. Er sagte der dpa, das schwäche die Investitionstätigkeit der Kommunen und treibe sie in die Gefahr der Überschuldung. Die Altschulden einfach vom Bund abzulösen, sehe er skeptisch. "Denn das würde bedeuten, über Jahrzehnte umsichtig wirtschaftende Kommunen gleichzustellen mit denjenigen, die Projekte auch unsolide finanziert haben." Lindner erinnerte auch daran, dass nach der Verfassung grundsätzlich die Länder für die Finanzen der Kommunen zuständig seien, nicht der Bund. Er sprach sich für eine grundlegende Reform der Gemeindefinanzen aus.
Anders als der Landkreistag begrüßten der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund Scholz' Vorstoß. In Städten und Regionen mit hohen Schulden leben laut Jung zehn Millionen Menschen. "Die Kinder, die dort schwimmen lernen wollen und deren Halle schließt, weil das Geld für die Reparatur fehlt, können doch nichts dafür, dass der Strukturwandel den Schuldenberg wachsen ließ", betonte er. Den Städten sei bewusst, dass sie selbst auch zu einer Altschuldenlösung beitragen müssten. Aber der Neustart gelinge nur, wenn Bund, Länder und Kommunen gemeinsam anpackten.
Der Hauptgeschäftsführer des Gemeindebunds, Gerd Landsberg, erklärte in der "Welt", die hoch verschuldeten Kommunen seien aus eigener Kraft nicht in der Lage, mehr zu investieren und die Standortattraktivität zu erhöhen. Dadurch gehe die Schere zwischen finanzstarken Kommunen und strukturschwachen Regionen immer weiter auseinander. "Das Problem muss noch in dieser Legislaturperiode gelöst und darf nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden."/rm/and/tam/DP/nas
AXC0169 2019-12-23/16:09