Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Ungeachtet politischer Spannungen und Sorgen um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit haben die Türkei, Russland und China die Standortattraktivität in den vergangenen Jahren laut einer von Familienunternehmern beauftragten Studie ausgebaut. Entsprechendes geht aus dem "Länderindex Familienunternehmen - Emerging Markets" hervor, den das ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen erstellte. In der Untersuchung steht Russland laut den Angaben auf dem ersten Platz, gefolgt von der Türkei und China.
Die Untersuchung stütze sich auf messbare Daten international anerkannter Institutionen zu Wettbewerbsfaktoren. Ein Index, der nach den Bedürfnissen von Familienunternehmen gewichtet wurde, bemisst laut den Angaben die Standortattraktivität. Erstmals seien auch hohe CO2-Emissionen als Standortrisiko gewertet worden. Die Daten sagen laut den Familienunternehmern zwar nichts über politische Entwicklungen aus - deutlich werde aber, dass Demokratiedefizite und mangelhafte Rechtstaatlichkeit auf Dauer Wirtschaftsstandorten einen Schaden zufügen.
Russland habe die Stellung als attraktivster Standort der wichtigsten Emerging Markets ausgebaut. Familienunternehmen könnten dort auf gut ausgebildete Arbeitskräfte zugreifen, und die Regelungen in den Bereichen Besteuerung, Regulierung und Energiekosten seien günstig. Die größte Schwäche des Standorts bleibe allerdings die Kategorie "Institutionen", in der das Land wegen autokratischer Tendenzen das zweitschlechteste Ergebnis erzielt habe. Auch in den Bereichen Rechtssicherheit und Eigentumsrechte schneide Russland schlecht ab.
Institutionelle Rahmenbedingungen sind Schwachstelle
Ähnlich verhält es sich laut der Untersuchung mit der Türkei. Das Land biete günstige Steuerregelungen und ein liberales Regulierungsumfeld sowie gut ausgebildete Arbeitskräfte - die institutionellen Bedingungen seien aber ähnlich wie im Fall Russlands die größte Schwachstelle. Auch China habe seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Die Staatsführung gehe hart gegen Kriminalität und Korruption vor, die Finanzierungsbedingungen seien gut. Die klare Standortschwäche liege auf dem Arbeitsmarkt, wo hohe Löhne einer vergleichsweise geringen Produktivität gegenüberstünden.
Die negativste Entwicklung habe Südafrika durchlaufen, für das in drei von sieben Bereichen des Länderindex die Punktwerte deutlich sanken. Schlusslicht ist Brasilien. Die Studie zeigt nach der Wertung der Familienunternehmer auf, "dass Staaten wie Russland und die Türkei ein hohes Potenzial für eine Intensivierung der Geschäftsbeziehungen mit der Europäischen Union bieten". Ein Ende der politischen Spannungen hätte positive wirtschaftliche und politische Folgen.
Für die deutsche Politik ergebe sich aus der Studie ein klarer Handlungsauftrag: "Dass die Schwellenländer schon seit Jahren entschieden daran arbeiten, ihre Standortbedingungen zu verbessern, muss für Deutschland ein Weckruf sein", sagte Stiftungsvorstand Rainer Kirchdörfer. "Wir brauchen eine neue Reformdynamik." Sonst drohe Deutschland im internationalen Standortwettbewerb abgehängt zu werden.
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January 06, 2020 20:00 ET (01:00 GMT)
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