Von Andreas Kißler
BRÜSSEL/BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat sich trotz der Drohung Österreichs mit einem Rückzug aus den Verhandlungen über eine europäische Finanztransaktionsteuer überzeugt von einer Einigung auf das Vorhaben auf Basis seines eigenen Vorschlags gezeigt. "Was uns betrifft, glaube ich, dass wir davon ausgehen können, dass wir diesen europäischen Rahmen herstellen können", sagte Scholz nach Beratungen der europäischen Finanzminister in Brüssel. "Ich glaube, dass wir, was die Frage der Besteuerung von Finanztransaktionen in Europa betrifft, so weit sind, wie wir noch nie waren."
Den Widerstand Österreichs gegen seinen Vorschlag brachte er in Zusammenhang mit der Regierungsneubildung in Wien. "Dass nach einer Regierungsbildung wie in Österreich erst einmal eine nationale Blickrichtung entwickelt wird, die gar nicht in Bezug nimmt, was anderswo diskutiert wird und bei anderen geht, finde ich nicht weiter verwunderlich", sagte Scholz. Das Projekt sah er jedoch nicht vor dem Aus. "Es gibt sogar Länder, die gern noch mitmachen würden", sagte er, ohne diese auf Nachfrage benennen zu wollen.
Der neue österreichische Finanzminister Gernot Blümel hatte zuvor in Brüssel heftige Kritik an Scholz' Vorschlag geübt, der "für Österreich so nicht akzeptabel" sei. Bei einem Gespräch habe er Scholz gesagt, "dass wir einen neuen Vorschlag brauchen, sonst wird Österreich die Gruppe verlassen". Der Vorschlag, der auf eine reine Aktiensteuer hinausläuft, sei "genau das Gegenteil von dem, was ursprünglich intendiert war". Nötig sei eine breit angelegte Finanztransaktionsteuer, wie sie ursprünglich die EU-Kommission vorgeschlagen hatte.
Der Plan des Bundesfinanzministers ist auch innerhalb der Regierungskoalition auf heftigen Widerstand gestoßen. Die Unions-Bundestagsfraktion hat bereits vor einem "Etikettenschwindel" gewarnt und betont, der Richtlinienentwurf verdiene "den Namen Finanztransaktionssteuer nicht". Derzeit verhandeln zehn EU-Länder über eine Finanzstransaktionsteuer im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit. Die Mindestzahl an Teilnehmerstaaten für dieses EU-Instrument liegt bei neun. Scholz hat Mittel aus der Steuer aber schon zur Finanzierung der Grundrente eingeplant.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/smh
(END) Dow Jones Newswires
January 21, 2020 09:20 ET (14:20 GMT)
Copyright (c) 2020 Dow Jones & Company, Inc.