Von Petra Sorge
BERLIN (Dow Jones)--Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) hat seine Kritik am Kohleausstiegsgesetz konkretisiert und deutlich mehr Entschädigungen für betroffene Steinkohle-Betreiber gefordert. "Der Braunkohle-Deal ist ein Deal zulasten der Steinkohle", erklärte VKU-Hauptgeschäftsführer Michael Wübbels in Berlin. Der VKU habe bereits am Donnerstagabend mit weiteren Verbänden in einem Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) appelliert und Nachbesserungen an dem Entwurf gefordert.
Der Verband kritisierte, dass der in der vergangenen Woche gefundene Bund-Länder-Kompromiss nun moderne Steinkohle-Kraftwerke zwingt, deutlich früher vom Netz zu gehen als alte Braunkohlemeiler. Der Gesetzentwurf sieht Ausschreibungen für das Auslaufen von Steinkohle-Anlagen vor. Sollten die Auktionen unterzeichnet bleiben, können Kraftwerke bereits ab 2024 zwangsenteignet werden. Ab 2027 sind die Abschaltungen komplett entschädigungsfrei.
Laut VKU betrifft das mehr als sieben Gigawatt in Anlagen, die erst 2013 oder später ans Netz gegangen seien. Diese drohten in finanzielle Schieflage zu geraten, sagte Wübbels. "Zudem entbehrt es jeder energiewirtschaftlichen und klimapolitischen Logik, dass die Steinkohle als Lückenbüßer für den verzögerten Braunkohleausstieg herhalten soll."
Nach Lesart des VKU sieht der Gesetzentwurf vor, dass die letzte Steinkohle-Anlage bereits 2033 vom Netz geht - nach aller Wahrscheinlichkeit wäre das das Kraftwerk Datteln 4 des Energieversorgers Uniper. Das endgültige Kohle-Aus hat die Bundesregierung aber für 2038 geplant. Damit hätten die Braunkohle-Betreiber den weiteren Vorteil, dass in den späten Jahren höhere Umsätze zu erwarten sind, weil die verbleibenden Kohlekraftwerke die Netzstabilität garantierten.
Kritik übten die kommunalen Unternehmen auch an den geplanten Fristen und Anreizen für den Umbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Eine neue GAS-KWK-Anlage brauche in der Realisierung fünf bis sieben Jahre, sagte Wübbels. "Wir laufen damit entweder in ein Versorgungssicherheits- oder ein Kostenproblem in der lokalen Wärmeversorgung."
Für den Umbau von Kohle-Wärme-Anlagen in Gas-KWK sieht der Gesetzentwurf eine Förderung von 180 Euro je Kilowattstunde vor. Laut VKU deckt das die Kosten für Umbau, Gasbeschaffung und Technik aber bei weitem nicht. Nötig seien 450 Euro je Kilowattstunde, sagte Wübbels. "Und das ist ein Mindestwert." Der VKU-Präsident verwies auf eine Umfrage unter seinen Mitgliedsunternehmen, die bislang nur 170 Megawatt umgerüstet hätten, weil das Geld fehle.
Das Bundeswirtschaftsministerium hatte den Verbänden rund 23 Stunden Zeit für eine Anhörung gegeben, was nicht nur beim VKU auf Unverständnis stieß. Von einer "absurd kurzen Fristsetzung" sprach auch der Verband der Chemischen Industrie. Ministeriumssprecherin Beate Baron hatte am Donnerstagabend gegenüber Dow Jones News erklärt, Verbände könnten "sicher auch noch später Stellungnahmen einreichen, aber natürlich gibt es einen hohen Zeitdruck beim Thema, so dass wir um schnelle Stellungnahme bitten". Zudem seien "die erste Fassung des Gesetzes und die Grundsystematik der Bestimmungen bereits seit November letzten Jahres" bekannt.
Im VKU sind Stadtwerke mit rund vier Gigawatt kohlegeführter Energieleistung organisiert, davon sind drei Gigawatt in Steinkohle-KWK-Anlagen. Der Gesetzentwurf zum Kohleausstieg sieht vor, die Steinkohlekapazität bis 2022 von derzeit 20 auf dann 15 Gigawatt und bis 2030 auf acht Gigawatt zu verringern.
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January 24, 2020 03:26 ET (08:26 GMT)
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