Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) werden nach Aussage von EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann noch für längere Zeit auf dem aktuellen Niveau bleiben. "Angesichts des Preisausblicks müssen wir realistisch bleiben: Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die Zinsen wieder steigen werden", sagte der Bundesbank-Präsident in einem Interview mit der Badischen Zeitung. Darin kritisierte Weidmann erneut die Staatsanleihekäufe des Eurosystems, lobte eine neue Offenheit im EZB-Rat unter Präsidentin Christine Lagarde und äußerte Verständnis dafür, dass sich Zentralbanken nun auch um den Klimaschutz kümmern wollten.
Weidmann sagte, er begrüße, dass die Diskussionen im EZB-Rat mit der neuen Präsidentin offener geworden seien. "Wir haben jetzt angekündigt, unsere geldpolitische Strategie vor dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten Jahre auf den Prüfstand zu stellen. Wir hinterfragen auch die Wirkungen und diskutieren die Nebenwirkungen unserer Maßnahmen, wie zum Beispiel der Staatsanleihekäufe", der Weidmann. Gerade auf diese Nebenwirkungen weise er seit Längerem hin.
Weidmann bekräftigte seine Einschätzung, dass die im September 2019 beschlossene Lockerung der Geldpolitik in diesem Umfang nicht nötig gewesen sei. "Wie Sie wissen, sehe ich vor allem die zusätzlichen Anleihekäufe kritisch, und einige meiner Kollegen haben meine Kritik geteilt", sagte er. Zugleich sei sich der Rat aber einig, dass die Unterstützung durch eine lockere Geldpolitik weiterhin nötig sei. "Der Preisauftrieb im Euroraum insgesamt dürfte in den nächsten Jahren noch unter unserem Ziel bleiben", prognostizierte er.
Verständnis äußerte der Bundesbank-Präsident auch für das Anliegen von Präsidentin Lagarde, in der Geldpolitik den Klimawandel zu berücksichtigen. Dabei geht es laut Weidmann nicht darum, Klimawandel und Klimapolitik stärker in den Analysen einbeziehen. "Meines Erachtens müssen wir auch fragen, inwieweit die von uns gekauften Wertpapiere finanzielle Risiken enthalten, die sich aus dem Klimawandel ergeben", sagte er. Solche Überlegungen seien Teil der vom EZB-Rat beschlossenen Strategie-Überprüfung. "Das hat Christine Lagarde angestoßen - und zu Recht aus meiner Sicht", so Weidmann.
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January 29, 2020 05:52 ET (10:52 GMT)
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