Von Petra Sorge
BERLIN (Dow Jones)--Der europäische Stromsektor hat laut einer neuen Studie wegen der zunehmenden Abschaltung von Kohlekraftwerken so viel Treibhausgase eingespart wie nie zuvor in den vergangenen 30 Jahren. Das geht aus einer Analyse aktueller Stromdaten hervor, die die Denkfabrik Agora Energiewende und mit dem britischen Think Tank Sandbag veröffentlichten. Demnach sanken die CO2-Emissionen im vergangenen Jahr um 12 Prozent oder 120 Millionen Tonnen. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion sei EU-weit auf einen neuen Rekordwert von fast 35 Prozent gestiegen.
Hintergrund ist der Einbruch bei der Stein- und Braunkohleverbrennung. Laut der Studie schrumpfte der Sektor EU-weit um beinahe ein Viertel (24 Prozent beziehungsweise 150 Terawattstunden). Bei der Steinkohle betrug das Minus 32 Prozent, bei der Braunkohle 16 Prozent. Der Kohle-Anteil landete mit 470 der insgesamt 3.222 Terawattstunden 2019 damit auf einem Rekordtief. Auf Deutschland, Spanien, die Niederlande, Großbritannien und Italien entfielen zusammen 80 Prozent des Rückgangs.
Kohle-Rückgang wegen des hohen CO2-Preises
Die Studie "The European Power Sector in 2019" sieht dafür den Preisanstieg bei den CO2-Zertifikaten für ursächlich. Er lag zuletzt bei rund 25 Euro je Tonne CO2. Kohlestrom sei dadurch teurer geworden als Strom aus Erdgas, Atomstrom und Erneuerbaren Energien, so die Autoren.
Der fossile Strom wurde je zur Hälfte durch Strom aus Gaskraftwerken (plus 12 Prozent) und Öko-Erzeugung ersetzt. Wind- und Solaranlagen lieferten erstmals mehr Strom als Kohlekraftwerke. Der Sektor wuchs um 64 Terawattstunden auf 569 Terawattstunden, mit einem Plus von 14 Prozent bei Wind und 7 Prozent bei der Photovoltaik.
Vorreiter waren hier vor allem die westeuropäischen Länder, während Polen und Griechenland beim Ökostrom noch hinterherhängen. Wegen der anhaltenden Trockenheit ging die Stromerzeugung aus Wasserkraft hingegen um gut sechs Prozent zurück. Die Atomkraft blieb nahezu stabil (minus 1 Prozent). Insgesamt ging auch der Stromverbrauch in Europa leicht zurück.
Erneuerbaren-Zubau muss aber noch schneller gehen
"Trotz der positiven Entwicklung muss das Zubautempo noch weiter beschleunigt werden", relativierte der Agora-Experte Matthias Buck die Ergebnisse. Die EU will den Ökostromanteil bis 2030 bislang auf 32 Prozent steigern. In Brüssel gibt es aber bereits Diskussionen, die Zahl weiter anzuheben, um den europäischen "Green Deal" zu erreichen. Die Agora-Studie geht nun von 57 Prozent aus, die der Stromsektor bei den Erneuerbaren erreichen müsse, um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen. Dies entspräche auch den Berechnungen der EU-Kommission, so das Papier.
Dafür brauche es sogar ein jährliches Wachstum von 97 Terawattstunden beim Ökostrom - 33 mehr als 2019. Auch müsse der CO2-Preis mindestens das aktuelle Niveau halten. Aktuell würden etwa 300 Millionen Zertifikate pro Jahr mehr ausgegeben als verbraucht. Buck forderte die EU auf, die Menge der jährlich ausgegebenen Zertifikate stärker als bislang vorgesehen zu verringern.
Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 50 bis 55 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Bis 2050 will Europa dann klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase produzieren als anderweitig eingespart werden.
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February 05, 2020 04:30 ET (09:30 GMT)
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