BERLIN (Dow Jones)--FDP-Parteichef Christian Lindner hat angesichts des Thüringen-Debakels eigene Fehler eingeräumt. "Es war ein Fehler, im dritten Wahlgang angetreten zu sein", sagte er mit Blick auf die Kandidatur des Thüringer FDP-Landeschefs Thomas Kemmerich für das Amt des Ministerpräsidenten in Erfurt. "Es war dann auch ein Fehler, eine Wahl unter diesen Bedingungen angenommen zu haben", sagte Lindner. "Ich bin auch selbst einer Fehleinschätzung der AfD erlegen."
Seine Partei trage die Verantwortung für die schwierige Lage in Thüringen und in der Bundespolitik. Dass Zweifel an der Haltung der Liberalen entstanden seien, "bedauern wir zutiefst". In der Vorstandssitzung habe sich der Generalsekretär der FDP Thüringen, Robert Martin Montag, auch entschuldigt. Kemmerich selbst habe angekündigt, auf die ihm zustehenden Ministerpräsidenten-Bezüge von 93.000 Euro zu verzichten oder sie zu spenden.
Lindner wies auch zurück, dass es vorher Absprachen mit der AfD gegeben habe. Der Landesparteirat der Thüringer FDP hatte laut Lindner beschlossen, sich im Erfurter Landtag eine Kandidatur Kemmerichs im dritten Wahlgang vorzuhalten. In einer Bundestagsfraktion habe Lindner zugleich betont, dass es keine Amtsübernahme mithilfe der AfD geben könne. Ein "grünes Licht" aus Berlin habe es daher nicht gegeben, betonte Lindner.
Es sei nun ein neuer parlamentarischer Umgang mit den Rechtspopulisten nötig. Die Liberalen hätten nicht gedacht, dass es möglich sei, einen eigenen Kandidaten vorzuschlagen und dann nicht zu wählen. Eine solche Fehleinschätzung "wird und darf sich nicht wiederholen", betonte Lindner. "Für uns ist prinzipiell eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen."
Zuvor hatte sich der FDP-Chef die Unterstützung des liberalen Bundesvorstands sichern können. Bei der Vertrauensfrage stimmten 33 von 36 Personen für Lindner. Es habe eine Nein-Stimme und zwei Enthaltungen gegeben. Lindner bezeichnete dies als "sehr gutes Ergebnis". Es habe "eine sehr intensive, sehr offene Aussprache" in der Vorstandssitzung gegeben.
Lindner hatte als Konsequenz aus der Thüringen-Krise sein eigenes politisches Schicksal in die Waagschale geworfen und die Vertrauensfrage gestellt. Hintergrund war die anfängliche Unterstützung Lindners für die Wahl von Kemmerichs. Der Thüringer FDP-Landeschef war massiv in die Kritik geraten, weil er unter anderem mit den Stimmen der AfD in das Ministerpräsidenten-Amt gekommen war. Der rechtsradikale Anführer des vom Verfassungsschutz geprüften "Flügels", Björn Höcke, hatte Kemmerich gratuliert.
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February 07, 2020 09:37 ET (14:37 GMT)
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