BERLIN (Dow Jones)--Vor dem EU-Ratstreffen haben die CSU-Europapolitikerin Monika Hohlmeier und der Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen den Widerstand des Europaparlaments in den anstehenden Haushaltsverhandlungen angekündigt. Der europäische Green Deal sei dadurch "arg gefährdet", erklärte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Andresen im Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Berlin. "Aus unserer Sicht fügt sich das gar nicht."
Europaparlament fordert 1,3 Prozent, Berlin nur zu 1,0 Prozent bereit
Hohlmeier rechnet wegen der unterschiedlichen Positionen bei den Verhandlungen mit einer "ernsthaften Verzögerung". Selbst wenn die Verhandlungen im Februar abgeschlossen würden, werde es "ganz schwer, noch pünktlich anzufangen". Die Kommission werde wohl einen Überbrückungsplan auflegen müssen, um laufende Programme weiter finanzieren zu können.
In den Verhandlungen zum EU-Finanzrahmen für die kommenden sieben Jahre fordert das Europaparlament eine Erhöhung auf 1,3 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung. Die EU-Kommission will 1,11 Prozent, Deutschland und andere Nettozahler-Staaten sind aber nur zu einem Betrag von 1,0 Prozent bereit. Der Unterschied hinter dem Komma macht Milliarden aus.
EU-Ratspräsident Charles Michel hatte am Freitag einen Kompromissvorschlag von 1,074 Prozent vorgelegt. Das entspricht knapp 1,095 Milliarden Euro und ist etwas mehr als die zuvor von der finnischen Ratspräsidentschaft anvisierten 1,07 Prozent. Für diesen Donnerstag hat Michel einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs zu den Budgetgesprächen einberufen.
Drohende Kürzungen bei der Förderung für Forschung, Innovation und Mittelständler
Aus Sicht des Europaparlaments fällt mit den Vorschlägen von Rat und Kommission die Finanzierung wichtiger zukunftsträchtiger Bereiche weg. "Wo es wirklich kracht, ist der Bereich Innovation und Forschung", sagte Hohlmeier, die sowohl Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses als auch Mitglied des Haushaltsausschusses ist. Bei dem EU-Förderprogramm Horizon 2020 plane der Rat die stärksten Kürzungen. Auch das COSME-Projekt, mit dem Forschung in kleinen und mittelständischen Unternehmen gefördert werde, sei betroffen. Wenn es den Betrieben nicht mehr möglich sei, in klimafreundliche Innovationen zu investieren, "dann stößt das auf den erbitterten Widerstand des Parlaments", so Hohlmeier.
Laut dem Ratsvorschlag sollen Rabatte für Deutschland und andere Mitgliedsstaaten beibehalten werden. Das lehne das Europaparlament ab, "weil sie intransparent sind und zu Ungerechtigkeiten führen", so der Grüne Andresen. Wegen des Brexits und damit dem Wegfall des Briten-Rabatts gebe es die Chance, das Thema nun grundsätzlich zu klären. Einige Staaten hätten bislang sogar Vergünstigungen auf den britischen Rabatt erhalten.
Uneinigkeit bei EU-Rechtsstaatsmechanismus
Das Geld soll laut dem Michel-Plan aber auch nur fließen, wenn der betreffende Mitgliedstaat die Kriterien der Rechtsstaatlichkeit einhält. Der konkrete Ratsvorschlag für einen Rechtsstaatsmechanismus sei allerdings so ausgestaltet, dass er nie anwendbar sei und nie greifen könne, kritisierte Andresen. Dies sei "ein Geschenk" an den ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orbán und die polnische Regierung, "damit beide im Rat nicht den gesamten Finanzrahmen blockieren", so der Grünen-Finanzpolitiker. Wenn das so umgesetzt werde, "wird es sehr stressig mit dem Parlament".
Auch bei der Finanzierung der Erasmus-Stipendien und des Kulturbereichs liegen die europäischen Institutionen über Kreuz. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte eine Verdreifachung der Mittel für das Studentenprogramm vorgeschlagen, der Rat habe hier sogar Kürzungen angeregt, so Hohlmeier. Die Mittel für die Kreativwirtschaft und Medienförderung wolle das Parlament auf 2,8 Milliarden verdoppeln, so Hohlmeier, der Rat habe nicht einmal eine Zahl genannt. "Das ist einer der Kernpunkte, obwohl er klein ist."
Bundesregierung erwartet "deutlichen Anstieg der Beiträge"
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich zu finanziellen Zugeständnissen bereiterklärt, wenn beim Agrarhaushalt gespart werde. Hier ist die Finanzpolitikerin der Schwesterpartei dagegen. Die Landwirtschaft dürfe nicht "als Steinbruch" behandelt werden, sagte Hohlmeier. "Die Bauern sollen 40 Prozent des Green Deals übernehmen. Da kann man denen aber nicht sagen, es gibt 10 Prozent weniger." Die Befürchtung des Parlaments sei, dass sich die EU-Staaten bei den Posten Kohäsion und Landwirtschaft auf Kosten der Forschung einigten. "Und das ist für uns nicht zu akzeptieren", so die CSU-Europapolitikerin.
Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte in Berlin, die Verhandlungen würden "von allen Seiten Kompromissfähigkeit verlangen". Das Ziel der Bundesregierung sei immer gewesen, "dass dieser Haushalt modernisiert wird." Dies müsse sich beim Klimaschutz, der Migration, bei Forschung und Innovation, aber auch einer stärkeren Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik niederschlagen. "Gleichzeitig kann man die Verlässlichkeit etablierter Bereiche nicht infrage stellen", so Seibert. Schond ein Prozent des Bruttonationaleinkommens führe zu einem "deutlichen Anstieg der Beiträge, gerade auch für Deutschland".
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February 17, 2020 07:08 ET (12:08 GMT)
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