Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich skeptisch zu einer Einigung beim EU-Sondergipfel über den künftigen Finanzrahmen der Europäischen Union (EU) gezeigt und den jüngsten Brüsseler Kompromissvorschlag dazu kritisiert. Deutschland habe "ein elementares Interesse" an einer Einigung. "Ich sage allerdings voraus, dass ich noch nicht weiß, ob das gelingt", erklärte Merkel bei einer Pressekonferenz mit der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin. "Wir finden, dass unsere Belange an vielen Stellen noch nicht ausreichend berücksichtigt sind", sagte sie.
Merkel erwartet deshalb bei dem am Donnerstag in Brüssel stattfindenden Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs "sehr harte und schwierige Verhandlungen". Es müsse "die Gesamtbilanz stimmen". Nach dem Brexit würde Deutschland pro Jahr 10 Milliarden Euro mehr zahlen, selbst wenn die Zahlungen bei 1,0 Prozent der Wirtschaftsleistung blieben, hob sie hervor. Deshalb seien für Deutschland die Nettosalden zwischen den Nettozahlern und die Frage eines Rabatts wichtig. Auch Deutschland wolle, dass es "keinen Einbruch" bei der Finanzierung der Landwirtschaft innerhalb des Budgets geben dürfe, betonte sie zudem.
Marin zeigte sich optimistischer und sagte, es sei "durchaus möglich, dass wir noch diese Woche zu einem einstimmigen Ergebnis kommen". Finnland wolle ein "moderates Gesamtniveau" beim EU-Finanzrahmen.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte bereits am Montag den Kompromissvorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel zum Budget für die Jahre 2021 bis 2027 zurückgewiesen und gefordert, dass sich der Haushalt "mit den Aufgaben der Zukunft beschäftigen" müsse. "Ich glaube, dass der aktuelle Vorschlag, den wir zur Kenntnis nehmen mussten, nicht die Modernisierung ausreichend beinhaltet", so der Finanzminister bei Beratungen in Brüssel. Es sei "eher ein Rückschritt".
Michel schlägt eine Steigerung der Ausgaben im mittelfristigen Finanzrahmen auf 1,074 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung vor. Deutschland als Nettozahler will bisher wie weitere vier Länder aber nicht über 1,0 Prozent des Bruttonationaleinkommens hinausgehen. Merkel hatte zuvor allerdings auch Kompromissbereitschaft angedeutet - abhängig von den Ausgabenschwerpunkten. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hatte geschrieben, Merkel fordere im Gegenzug für eine Ausweitung der Ausgaben, dass die EU künftig weniger Geld für Agrarhilfen ausgebe.
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February 19, 2020 08:37 ET (13:37 GMT)
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