Von Bojan Pancevski
BERLIN (Dow Jones)--Der mutmaßliche Täter bei mehreren tödlichen Schießereien in Hanau hatte nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler ein rassistisches Motiv. Die Zahl der Opfer beträgt nach Angaben von Beamten zehn Personen. Der 43-jährige Deutsche eröffnete in seiner Heimatstadt Hanau das Feuer willkürlich auf Menschen mit Migrationshintergrund, bevor er am späten Mittwoch tot aufgefunden wurde.
Er und eine 72-jährige Frau, die vermutlich seine Mutter ist, seien tot in seinem Haus aufgefunden worden, sagte der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU). Die Polizei fand neben dem toten Verdächtigen eine Waffe. "Dies ist ein Angriff auf unsere freie und demokratische Gesellschaft", sagte Beuth vor dem Parlament.
Der aus rechtlichen Gründen nur als Tobias R. benannte Schütze vermischte in einem Manifest und mehreren Aufzeichnungen auf seiner Webseite verwirrende Aussagen über seine Kindheit mit rassistischen Tiraden, darunter auch ein Aufruf zur Ausrottung von Volksgruppen und Immigranten in Deutschland.
Die Angriffe fanden am Mittwoch gegen 22.00 Uhr Ortszeit statt, als der Bewaffnete in einer Shisha-Bar das Feuer auf die Gäste eröffnete und dann in einem dunklen Fahrzeug floh, wie die Polizei mitteilte. Danach nahm er die Schießerei in zwei anderen Stadtteilen wieder auf.
Anhand von Zeugenaussagen verfolgte die Polizei den Fluchtwagen des Verdächtigen bis in den Stadtteil Kesselstadt. Sie sperrte die Adresse des Besitzers ab und stürmte das Gebäude, fand die beiden Leichen, darunter die des mutmaßlichen Angreifers.
Der Angreifer sei geistig verwirrt gewesen und habe sich im Internet radikalisiert, sagte Tarek Al-Wazir (Grüne), Hessens Wirtschaftsminister. "Es gibt Fälle dieser Wahnsinnigen, die auf Minderheiten zielen. Die gesamte Gesellschaft muss sich überlegen, wie sie auf diese Entwicklungen reagieren kann", sagte Al-Wazir in einem Interview mit der Bild-Zeitung.
Gewaltverbrechen sind in Deutschland relativ selten, doch hat das Land einen Anstieg des rechtsextremen und islamistischen Terrorismus sowie eine Welle der organisierten Kriminalität erlebt.
Nach Angaben des Bundesnachrichtendienstes haben Rechtsextremisten im vergangenen Jahrzehnt 10.105 Gewaltverbrechen begangen, darunter 83 Morde seit 1990. Zum Vergleich: Islamistische Terroristen haben im gleichen Zeitraum 17 Menschen getötet. Rund 12.000 Menschen werden von den Strafverfolgungsbehörden in Deutschland als Rechtsextremisten geführt.
Am Jom-Kippur-Tag im vergangenen Oktober wurde ein Deutscher nach einem Anschlag auf eine Synagoge in Halle verhaftet, bei dem zwei Menschen starben. Der Täter begründete den Angriff mit antisemitischen und rassistischen Äußerungen.
Mitarbeit: Bertrand Benoit und William Boston
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February 20, 2020 05:13 ET (10:13 GMT)
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