Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat sich bei seinen Beratungen am 23. Januar 2020 erfreut über die Wirkung der im September 2019 beschlossenen geldpolitischen Lockerung geäußert und auf einen Rückgang der Wachstumsrisiken hingewiesen. Zugleich warnten Ratsmitglieder jedoch vor zu viel Optimismus, wie aus dem jetzt veröffentlichten Sitzungsprotokoll hervorgeht. Der EZB-Rat stufte zudem den jüngsten Anstieg der Aktienkurse als übertrieben ein. Anhaltspunkte zur Strategieprüfung enthält das Dokument keine.
"Es wurde darauf hingewiesen, dass die Risiken weiterhin abwärts gerichtet sind, allerdings auch etwas weniger ausgeprägt, weil die Unsicherheit bezüglich des Welthandels nachlässt", heißt es in dem Bericht. Zwar könne eine positivere Beurteilung der Risiken die Zuversicht in den Aufschwung stärken, was wiederum die wirtschaftliche Entwicklung stützen würde, doch müsse ein optimistischerer Ausblick vorsichtig kommuniziert werden, um keine verfrühte Straffung der Finnazierungsbedigungen auszulösen.
Der Rat verwies in diesen Zusammenhang auf den Nutzen seiner Zins-Forward-Guidance: "Dass der voraussichtliche Zinspfad an die Inflationsaussichten gebunden ist, stellt sicher, dass sich die Finanzierungsbedingungen nicht vorzeitig verschlechtern, nur weil sich der Wachstumsausblick bessert", heißt es im Protokoll.
Die EZB hatte ihre Geldpolitik im Januar wie erwartet unverändert gelassen, sich aber etwas optimistischer zu den Wachstums- und Inflationsaussichten geäußert. Seither ist allerdings der Ifo-Geschäftsklimaindex gesunken, die Entwicklung der Wirtschaftsleistung im vierten Quartal überraschte negativ und die Ausbreitung des Coronavirus bereitet den Zentralbankern zunehmend Sorgen. Im Protokoll ist noch die Einschätzung zu lesen, dass das Wachstum kurzfristig auf dem Niveau der vorigen Quartale bleiben dürfte, also bei 0,3 oder 0,2 Prozent. Tatsächlich meldete Eurostat später aber nur 0,1 Prozent.
EZB-Vizepräsident Luis de Guindos signalisierte am Donnerstag aber, dass die EZB ein Wirtschaftswachstum im Rahmen der im Dezember veröffentlichten Stabsprojektionen nach wie vor für wahrscheinlich hält. Die Risiken für diesen Ausblick sieht die EZB demnach weiterhin auf der Abwärtsseite. Darüber hinaus stellten die Coronavirus-Epidemie und ihre potenziellen Auswirkungen für das globale Wachstum eine zusätzliche Unsicherheit dar, sagte de Guindos.
De Guindos sagte zudem zu, dass die EZB weiterhin genau auf mögliche Nebenwirkungen ihrer Geldpolitik achten werde. Aus dem Protokoll der Januar-Beratungen geht hervor, dass die EZB den jüngsten Aufschwung an den Aktienmärkten für etwas übertrieben hält. Dort heißt es, die höheren Bewertungen seien nur schwer mit den schwächeren Gewinnaussichten dies- und jenseits des Atlantiks in Übereinstimmung zu bringen.
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February 20, 2020 07:30 ET (12:30 GMT)
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