Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat vor einem Konjunkturknick in Deutschland infolge der weltweit fortschreitenden Coronavirus-Epidemie gewarnt. "Die Konjunkturdelle steht vor der Tür - die steht im Türrahmen", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier in einem Interview zu Dow Jones Newswires in Berlin. "Dass das Coronavirus jetzt nach Europa gekommen ist, droht in einer ohnehin geschwächten wirtschaftlichen Lage in Deutschland zum Konjunkturhemmer zu werden, ohne dass wir das derzeit exakt beziffern können."
Produktionsausfälle in China, massive Reiseeinschränkungen und Handelseinbrüche zwischen China und asiatischen Nachbarländern sowie Nachfrageausfälle in Tourismus und Einzelhandel seien "wahrscheinliche Szenarien", die auf die Wirtschaft auch in Deutschland zukommen könnten. "Die Ausbreitung des Coronavirus außerhalb Europas ist eine zusätzliche Belastung für die deutsche Konjunktur in einem ohnehin schwierigen Jahr", sagte Treier. Sie werde "der deutschen Wirtschaft dieses Jahr erheblich zusetzen".
Der DIHK-Außenwirtschaftschef machte klar, dass die Unternehmen jetzt ganz bewusst Mobilität einschränkten, helfe der Konjunktur nicht - obwohl es ein Gebot der Stunde sei, Geschäftsreisen etwa nach Norditalien im Moment durch Videokonferenzen zu ersetzen oder Veranstaltungen abzusagen. "Daraus muss zwangsläufig noch keine großer wirtschaftlicher Schaden entstehen, aber es ist jedenfalls alles andere als ein Konjunkturprogramm", sagte Treier.
"Ökonomischer Rückschlag in China gewaltig"
Anders als andere Vertreter aus Politik und Wirtschaft mahnte er aber auch ausdrücklich kein kurzfristiges Ankurbelungsprogramm für die deutsche Konjunktur an. "Wir fordern aktuell als Maßnahme von der Bundesregierung, das Hauptaugenmerk auf die weitere Eindämmung des Coronavirus zu legen", sagte Treier. "Das ist jetzt das Wichtigste."
Mit Blick auf die chinesische Wirtschaft erwartete Treier deutlich geringere Exporte als noch vor kurzem geschätzt. "Der ökonomische Rückschlag ist in China schon gewaltig", sagte er. Der DIHK rechne nicht damit, dass dies 2020 "in Gänze wieder aufgeholt" werden könne. "Dass wir bei den deutschen Exporten im Kalenderjahr 2020 nach China überhaupt ein Plus bekommen, wird vor diesem Hintergrund wenig wahrscheinlich", meinte Treier. "Wenn wir da eine Stagnation haben, dann kommen die deutschen Unternehmen sogar noch mit einem blauen Auge davon."
Die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Ausbruchs in Italien könne man noch nicht benennen. Italien sei aber eine relevante Größe. "Die Abriegelung von einem Bezirk in einer norditalienischen Stadt führt jetzt erst einmal nicht dazu, dass Logistikketten abgerissen sind", betonte Treier. Es gebe aber schon Auswirkungen auf den Tourismus, und es sei "wohl nur eine Frage der Zeit", dass es auch eine Auswirkung auf die Produktion habe. "Wie stark die ist, wissen wir aktuell noch nicht, aber wir können davon ausgehen, dass es eine hat." Dann drohten Lieferverzögerungen und womöglich temporäre Produktionsausfälle, "und dann belastet das auch die deutsche Konjunktur".
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February 27, 2020 08:46 ET (13:46 GMT)
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